Wie zu Beginn des neuen Jahres gab es auch Anfang 2023 viele Prognosen zur Entwicklung der Zinsen, des Verlaufs der geopolitischen Konflikte, der Stabilität der US-Regionalbanken oder der Zerrüttung von Promi-Beziehungen. Wie jedes Jahr sind manche der erwarteten Dinge eingetreten, aber vieles hat sich wie immer völlig anders entwickelt. Am ewigen Kreislauf der Weissagung ändert die magere Erfolgsquote nichts.

Viele Finanzanalysten machen sich daher seit Jahrzehnten das Leben leicht, indem sie eine von Jahr zu Jahr nur leicht variierende Form der Prognose des Aktienmarktes veröffentlichen. Üblicherweise resultiert das Vorgehen der Analysten in einem erwarteten Zuwachs in Höhe von 5 bis 10 Prozent über 12 Monate. In dieser Spanne versammelt sich gewohnheitsmäßig die Mehrheit der Finanzinstitute, wobei der Reigen stets von zwei bis drei Firmen garniert wird, die eine starke Hausse oder einen starken Einbruch voraussagen.

Für kleinere Häuser ist eine stark vom Konsens abweichende Meinung eine verlässliche Wette auf zahlreiche Interviews. Bei den meisten großen Banken und Fondshäusern tut man sich schon aus Absatzgründen vor allem mit sehr negativen Prognosen schwer. Generell scheut man zudem aus Reputationsgründen eine zu starke Abweichung vom Konsens. Das alles spielt für die Anleger aber ohnehin keine Rolle.

Bei einer Anlageklasse, die schon in normalen Jahren eine Handelsspanne von 25 % aufweist, ist die Debatte um ein paar Prozentpunkte allein unter statistischen Gesichtspunkten sinnlos. An der Beliebtheit der Prognoselotterie ändert dies nichts. Da bei einer ausreichenden Anzahl an Prognostikern schon zufallsbedingt immer der eine oder andere halbwegs richtigliegt, gibt es keinen Mangel an nachgereichten Begründungen und Erzählungen. Obwohl die Helden von gestern nicht selten die Tölpel von morgen sind, interessiert das wenig. Es geht eben mehr um die Unterhaltung und die Begleitmusik des Finanzvertriebs als um eine dauerhaft richtige Einschätzung der Märkte.

Aufgrund der Neigung der meisten Institute, sind allenfalls die Jahre interessant, in denen Euphorie oder Angst zu einem außergewöhnlich positiven oder negativen Konsens der Erwartungen führt. Das vergangene Jahr war so ein Fall. Der Pessimismus war aufgrund des vorangegangenen Zinsanstiegs trotz der im Vorjahr bereits schwachen Entwicklung enorm.

Dies führte zur sehr ungewöhnlichen Situation, in der die großen US-Bankhäuser laut Bloomberg im Mittel für das Jahr 2023 eine negative Entwicklung des S&P 500 voraussagten. Eine solch negative Haltung hatte es in den 25 Jahren zuvor nicht gegeben. Diese stellte sich als falsch heraus, aber auch das weiß man freilich erst im Nachhinein.

Der US-Leitindex legte um mehr als 20 Prozent zu, ein außergewöhnlich gutes Börsenjahr. Lehren sollten die wiederkehrenden Muster aus Euphorie und Panik die Anleger daher vor allem eines: Man sollte sich bei der Kapitalanlage nicht von Gefühlen, Ängsten oder Hoffnungen leiten lassen. Die Einschätzung man habe als einer der ersten einen nennenswerten Trend oder eine Umkehr desselben entdeckt, stellt sich meist als Irrtum heraus.

Anleger sollten sich diesen Zirkus samt der dahinterstehenden Motive stets vergegenwärtigen. Wer sich für den Kapitalmarkt interessiert und gerne debattiert und Gedanken austauscht, der kann in die Welt der Prognosen eintauchen und dort mitmischen. Solange man dies aus Gründen der Unterhaltung macht und damit nicht die Hoffnung verbindet, eine Überrendite zu erzielen, kann man kaum Schaden anrichten. Problematisch wird es erst beim vermeintlich so sicher prognostizierbaren Brückenschlag von den gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Entwicklungen zum erwarteten Verlauf der Börsen. Dieser geht so gut wie immer daneben.

Bei der Abkehr von diesen Versuchen hilft es ungemein – auch wenn es schmerzt – sich die eigenen Anlageerfolge über einen Zeitraum von 10 Jahren oder mehr anzuschauen. Dabei sollten natürlich alle Depots in die Betrachtung einbezogen werden und nicht nur die bemerkenswerten Ausreißer und Zufallstreffer, wie das in geselliger Runde üblich ist. In der Regel ist das Resultat ernüchternd und wenig erbaulich für das Ego.

Eben dieses Ego ist aber der größte Feind des Anlegers. Es verleitet zum Ausblenden eigener Fehler, zum Schönreden mäßiger Resultate und führt in vielen Fällen dazu, die Schuld für die eigenen Misserfolge anderen in die Schuhe zu schieben, seien es die Politik, die Zentralbanken oder einfach „das System“.

Je eher ein Anleger lernt, sein Ego über Bord zu werfen und die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen, desto besser werden die langfristigen Anlageergebnisse aussehen. Im folgenden Artikel werden wir daher zum Jahresbeginn einen Blick auf die von uns in unregelmäßigen Abständen dargestellte sehr einfache Basis einer Anlagestrategie werfen, die sich auch in 2023 gut geschlagen hat.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Für den einen Anleger ist eine Anlage in 100 % Aktien passend, für andere sieht die Welt anders aus. Eines ist jedoch gewiss, bei der Wahl der dauerhaften Anlagestrategie sind die meisten Menschen gut beraten, den Einfluss von Prognosen und den damit in der Regel verbundenen Emotionen so gering wie möglich zu halten. Wichtig ist die Bestimmung der eigenen Fähigkeit und des Willens, Schwankungen des Vermögens auszuhalten. Vieles hängt dabei vom Charakter des Anlegers sowie von der individuellen finanziellen Situation und nicht zuletzt vom Alter ab.

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