Fragestellung
Die Lockdowns ab März 2020 haben zu einer Schwächung der Wirtschaftskraft, insbesondere vieler mittlerer und kleiner Unternehmen und gleichzeitig zu einer Schuldenexplosion geführt. Die weltweiten Schulden sind heute so hoch wie noch nie und sowohl absolut wie im Verhältnis zur Wirtschaftskraft deutlich höher als bei Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise 2008. Die Immobilienpreise sind derzeit bedeutend höher als 2007, also sie so hoch waren, dass dadurch eine weltweite Immobilienkrise ausgelöst wurde. Die Aktien sind momentan so teuer wie fast noch nie in den letzten 150 Jahren. Solch hohe Aktienkurse haben in der Geschichte immer einen Crash ausgelöst. In meinen Augen droht eine zweite Finanzkrise, die deutlich härter werden dürfte als die erste, weil der Bereinigungsbedarf heute sehr viel größer ist als 2008. Wodurch könnte eine Finanzkrise 2.0 ausgelöst werden und wie könnte sie ablaufen? Der Auslöser dafür könnte die Türkei sein.
Höchster Weltschuldenstand der Geschichte
Die weltweiten Schulden haben Mitte 2021 mit 296.000 Milliarden bzw. 296 Billionen Dollar den höchsten Stand aller Zeiten erreicht. Sie lagen um 36 Billionen Dollar höher als vor den Lockdowns ab März 2020 und betrugen 353 Prozent der Weltwirtschaftskraft.1 Auf jeden Dollar Sozialprodukt kommen derzeit also 3,5 Dollar Schulden. Damit sind die Schulden sowohl absolut wie im Verhältnis zur Wirtschaftskraft heute deutlich höher als 2008. Damals waren sie zu hoch, was zur Finanz- und Schuldenkrise 2007 bis 2009 führte. Durch die Lockdowns wurde 2020 eine Jahrhundertkrise ausgelöst und gleichzeitig ein Schuldensprung wie noch nie in Friedenszeiten herbeigeführt. Wie sollen die Lockdown-geschwächten Unternehmen, Staaten und Haushalte die sprunghaft gestiegenen Schulden bedienen oder gar zurückzahlen?
Verschlechterung der Bonitätsstruktur
Die Zahl von so genannten Zombie-Unternehmen, die die letzten 10 bis 15 Jahre eigentlich nur wegen der extrem niedrigen Zinsen überleben konnten, ist beachtlich.2 Die Schulden von bonitätsschwachen Unternehmen (so genannte high yield oder BBB-geratete Anleihen) sind in den USA in den letzten 10 Jahren wegen des historisch einzigartig niedrigen Zinsniveaus sprunghaft gestiegen.3 Einige Länder wie Griechenland oder Italien haben derart hohe Staatsschulden, dass deren Bedienung bei steigenden Zinsen leicht zu Problemen führen könnte.
Historisch hohe Immobilienpreise und Aktienkurse
Die Finanz- und Schuldenkrise 2007-2009 wurde durch zu hohe Immobilienpreise ausgelöst. Als die Immobilienblase platzte, begann die Finanzkrise. Heute sind die Immobilienpreise weltweit sowohl absolut wie im Verhältnis zu den Medianeinkommen signifikant höher als 2008.4
Aktien, vor allem US-Aktien sind heute so teuer wie fast noch nie in der Geschichte. Das Shiller-PE-Ratio des S&P 500 ist derzeit mit 39,5 fast zweieinhalb Mal so hoch wie im Durchschnitt der letzten 150 Jahre:5 Man muss heute für einen Dollar Unternehmensgewinn einen etwa zweieinhalb Mal so hohen Aktienpreis bezahlen wie in den letzten eineinhalb Jahrhunderten. Nur 1929 und 2000 waren Aktien ähnlich teuer wie heute. Beide Male kam es kurz darauf zu einem Börsencrash.
Zwischenergebnis
An den internationalen Anleihe-, Schulden-, Immobilien- und Aktienmärkten hat sich meiner Einschätzung nach eine erhebliche asset bubble aufgebaut. Die Bewertungen der Vermögensgegenstände haben sich mittlerweile weit von der realen Wirtschaftskraft entfernt, sie sind seit Jahrzehnten weit stärker gestiegen als die tatsächliche Wirtschaftsleistung.6 Diese Entwicklung hat sich durch die jahrzehntelange Nullzinspolitik wichtiger Notenbanken, die Lockdowns und das viele frisch gedruckte Notenbankgeld noch erheblich beschleunigt: In den USA hat sich Zentralbankgeldmenge in den letzten 15 Jahren etwa verzehnfacht, im Euroraum verachtfacht.7
Trotzdem glauben viele Investoren immer noch, dass ihre Vermögen voll werthaltig sind. Das ist aber eine große Illusion. Die Buchwerte der Vermögensgegenstände sind schon lange nicht mehr in vollem Umfang durch die reale Wirtschaftsleistung unterlegt. In dem Moment, in dem die Anleger in größerem Umfang versuchen, ihre Schulden oder ihr in andere Vermögensgegenstände investiertes Geld zurückzubekommen, werden sie feststellen, dass das unmöglich ist. Viele Schuldner sind hoffnungslos überschuldet, eine Rückzahlung geht weit über ihre Kraft. Wenn das den Investoren bewusst wird, dürften die Kurse und Preise weltweit zu purzeln anfangen und einen Schulden-, Immobilien- sowie Börsencrash auslösen. Was könnte der Auslöser dafür sein? Möglicherweise die Türkei.
Der Absturz der türkischen Lira
Am 25.November 2021 betrug der Wechselkurs der türkischen Lira zum US-Dollar etwa 12 Lira pro Dollar.8 Mitte September lag der Kurs noch bei ungefähr 8,50. Heute bekommt man also gut 40 Prozent mehr Lira pro Dollar als vor zwei Monaten. Vor fünf Jahren, im November 2016 stand die Lira bei ca. 3,5. Heute bekommt man also beinahe dreieinhalb Mal so viele Lira pro Dollar wie vor fünf Jahren. Anders ausgedrückt: Die Lira hat sich in den letzten fünf Jahren im Wert beinahe geviertelt.
Hohe türkische Schulden in Fremdwährung
Die Türkei hatte im zweiten Quartal 2021 laut Global Debt Monitor Schulden von insgesamt ca. 153 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt.9 Bei einem BIP von rund 720 Milliarden US-Dollar 202010 entspricht das etwa Schulden in Höhe von 1.100 Milliarden Dollar. Die Auslandsschulden betrugen im zweiten Quartal 2021 446 Milliarden Dollar.11 Das entspricht 62 Prozent des BIP. Nach Berechnungen des Institute of International Finance beliefen sich die Schulden der Türkei in ausländischer Währung zur Jahresmitte 2021 auf 80 Prozent vom BIP.12 Das wären ungefähr 576 Milliarden Dollar. Die Türkei hat also erhebliche Fremdwährungsverbindlichkeiten. Das heißt, wenn die Lira sich abschwächt, wird das Bedienen der Fremdwährungsschulden schwieriger. Ein beträchtlicher Teil dieser Schulden muss innerhalb der nächsten zwölf Monate zurückgezahlt werden. Ende September 2021 waren das, je nach Abgrenzung, 125 bis 168 Milliarden Dollar.13 Wie sollen diese Schulden angesichts des Lira-Absturzes zurückbezahlt werden?
Allein türkische Unternehmen haben derzeit 33,8 Prozent vom BIP bzw. über 240 Milliarden Dollar Fremdwährungsschulden.14 Wenn man die Verbindlichkeiten in Lira umrechnet heißt das, dass diese Unternehmen in türkischer Lira nun gut 40 Prozent mehr Schuldendienst leisten müssen als noch vor zwei Monaten oder 3,4 Mal so viel wie vor fünf Jahren. Konkret: Wenn ein Unternehmen vor fünf Jahren 100 Millionen Dollar Kredit aufgenommen hat, bekam es damals 350 Millionen Lira dafür. Heute muss das Unternehmen 1.200 Millionen Lira zurückbezahlen. Das könnte manche Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten bringen und zu Problemen beim Schuldendienst führen. Das Gleiche gilt für die türkische Regierung, die mit 23 Prozent vom BIP in ausländischer Währung verschuldet ist und türkische Banken, die ebenfalls Fremdwährungsschulden in Höhe von 23 Prozent vom BIP haben.15
Türkei vor Finanzkrise?
Kurz: Der dramatische Absturz der Lira könnte und dürfte dazu führen, dass so mancher türkische Schuldner in Rückzahlungsprobleme kommt. Das ist umso wahrscheinlicher, als das Vertrauen der türkischen Konsumenten im November 2021 den tiefsten Stand seit Beginn der Datenerhebung 2004 erreichte.16 Die Prognosen für den Inlandskonsum und damit für die wirtschaftliche Entwicklung sind also denkbar schlecht, trotz steigender Exporte. Auch die Inflationsrate von derzeit knapp 20 Prozent trägt nicht gerade zur Vertrauensbildung der Konsumenten und zu Optimismus bei der Währungsentwicklung bei.17 Dazu kommt, dass auch die langfristigen Zinsen in der Türkei in den letzten Monaten dramatisch gestiegen sind. Türkische Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit haben derzeit einen Zins von über 20 Prozent, das sind etwa acht Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr.18 Also auch eine Refinanzierung über den Inlandsmarkt ist für viele Schuldner derzeit extrem teuer und keine einfache Lösung.
Auswirkungen türkischer Finanzprobleme auf die Weltfinanzmärkte
Angesichts des selbst im internationalen Vergleich relativ hohen Gesamtbetrages der Fremdwährungsschulden von über 570 Milliarden Dollar könnten sich Zahlungsprobleme türkischer Schuldner schnell auf die Weltanleihemärkte übertragen und dort zu Kursrückgängen führen. Es ist also gut möglich, dass türkische Finanzprobleme eine Erschütterung an den Bondmärkten nach sich ziehen und dort möglicherweise eine Kettenreaktion auslösen. Zur Erinnerung: Lehman hatte kurz vor seiner Pleite 2008 Schulden von 613 Milliarden Dollar.19 Dieser Betrag hat ausgereicht, um eine Weltfinanzkrise auszulösen. Die Schulden der Türkei haben eine ähnliche Größenordnung und daher möglicherweise ebenfalls das Zeug, eine globale Finanzkrise loszutreten. Ist die Türkei diesmal der erste Dominostein der umfällt, wie es 2008 Lehman war?
Möglicher Ablauf
Wie könnten sich konkret türkische Schuldenprobleme auf die Weltfinanzmärkte auswirken? Wenn die ersten türkischen Gläubiger ihren Schuldendienst nicht mehr bedienen können, dürfte das zu einem Kurssturz bei türkischen Anleihen führen. Solche Turbulenzen in einem wichtigen Schwellenland führt leicht zu Ängsten der Anleger und zu einer allgemeinen Flucht aus riskanten Anleihen durch Investoren an den Bondmärkten. Konkret dürften zunächst die Anleihen auch anderer Schwellenländer unter Druck kommen und zu Kapitalabzügen durch die Industrieländer, insbesondere der USA20, aus riskanten Schwellenländern führen. Wie bei der Südostasienkrise Ende der 1990er Jahre bringt dies schnell Währungsturbulenzen, genauer Währungsabstürze von Schwellenländern mit sich. Aber nicht nur Anleihen in Schwellenländern dürften Probleme bekommen, sondern auch bonitätsschwache Schuldner in Industrieländern, insbesondere high yield Bonds und BBB-Anleihen, Stichwort Zombie-Unternehmen, könnten unter die Räder kommen.
Wenn ein solcher Vertrauensverlust bzw. eine solche Angst weiter um sich greift, wie beispielsweise 1907 oder 1929, und zur Panik wird, dann kann dies recht schnell auch die Aktienmärkte mit nach unten reißen. Auch die Immobilienpreise würden dann eine starke Korrektur erleben, weil die Immobilien mit ungeheuren Mengen an Schulden finanziert sind. Die internationalen Anleihe- bzw. Bondmärkte waren Ende 2020 mit einem Marktvolumen von 123,5 Billionen Dollar größer als die weltweiten Aktienmärkte mit 105,8 Billionen Dollar.21 Mit anderen Worten: Es ist weltweit mehr Geld in Anleihen investiert als in Aktien. Wenn die Bondmärkte in die Knie gehen können sie daher mit Leichtigkeit die Aktienmärkte mit nach unten ziehen.
Letztlich beruht das Funktionieren aller Schuldbeziehungen, aller Kredit- und insbesondere der riesigen Anleihemärkte auf dem Glauben der Geldgeber, auf dem Vertrauen, dass das Geld zurückbezahlt werden wird. Das Wort Kredit kommt von credere, glauben. Wenn der Glaube der Gläubiger, das Vertrauen der Investoren bricht, dann führt dies zu einem allgemeinen Crash an den Finanzmärkten. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft wären verheerend. Auch der Euro könnte dann in Frage gestellt werden, was unabsehbare ökonomische und gesellschaftliche Verwerfungen in Kontinentaleuropa nach sich ziehen würde.
Steht die Finanzkrise 2.0 bevor?
Das Crashpotenzial an den Aktienbörsen, den Bond- und Immobilienmärkten ist heute deutlich höher als 2008. Der Sturz könnte also wesentlich tiefer werden als während der Finanzkrise 2007-2009. Die Schulden der Türkei könnten heute eine ähnliche Rolle spielen wie die Schulden von Lehman 2008 und der Auslöser einer zweiten Finanzkrise sein. Die dürfte deutlich schlimmer werden als die erste. Ich denke, die Zeichen stehen auf Sturm, möglicherweise einen perfekten Sturm.
Zum Autor:
Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962: Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investment Banker. Seit 2002 Professor an der Hochschule Aalen für Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Autor von sieben Büchern: Gekaufte Wissenschaft (2020); Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019); BWL Blenden Wuchern Lamentieren (2019, zusammen mit Heinz Siebenbrock); Werbung nein danke (2016); Gekaufte Forschung (2015); Geplanter Verschleiß (2014); Profitwahn (2013). Drei Einladungen in den Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte (Grüne, Linke, SPD). Zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und Zeitschriften-Interviews, öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen. Mitglied bei ver.di und Christen für gerechte Wirtschaftsordnung. Homepage www.menschengerechtewirtschaft.de
Quellen:
1. https://www.iif.com/Portals/0/Files/content/Global%20Debt%20Monitor_September2021_vf.pdf
2. https://www.bis.org/publ/work882.pdf
4. Economist Apr 9th 2021
5. https://www.multpl.com/shiller-pe
6. Metzler Asset Management, USA insgesamt Frankfurt/M. 6.8.2018
8. https://www.finanzen.net/devisen/us_dollar-tuerkische_lira-kurs 23.24 Uhr
9. https://www.iif.com/Portals/0/Files/content/Global%20Debt%20Monitor_September2021_vf.pdf
10. https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.CD?locations=TR
11. https://tradingeconomics.com/turkey/external-debt; https://www.aa.com.tr/en/economy/turkeys-external-gross-debt-stock-at-4484b-in-q1-of-2021/2289831
12. https://www.iif.com/Portals/0/Files/content/Global%20Debt%20Monitor_September2021_vf.pdf
14. https://www.iif.com/Portals/0/Files/content/Global%20Debt%20Monitor_September2021_vf.pdf
15. https://www.iif.com/Portals/0/Files/content/Global%20Debt%20Monitor_September2021_vf.pdf
16. https://tradingeconomics.com/turkey/consumer-confidence
17. https://tradingeconomics.com/turkey/inflation-cpi
18. https://tradingeconomics.com/turkey/government-bond-yield
19. https://www.rns-pdf.londonstockexchange.com/rns/8436Z_1-2008-7-24.pdf
20. Capital Markets Fact Book July 2021: https://www.sifma.org/wp-content/uploads/2021/07/CM-Fact-Book-2021-SIFMA.pdf, Seite 52f.
21. https://www.sifma.org/wp-content/uploads/2021/07/CM-Fact-Book-2021-SIFMA.pdf
Kommentare
Ich habe versucht zu verstehen, mein Verstand ist zu klein.
Ich denke, auch in Polen " geht so was ab".
Vielleicht könnte "graumann", wenn ich mich richtig erinnere, nochmal was dazu sagen.
Hatte auch noch nie von einer BBVA gehört...aber wer bin schon ich!
Wo haben Sie was von BBVA gelesen, in dem Artikel habe ich davon nichts gesehen.
Nach meinen Kenntnissen handelt es sich bei BBVA um die Kurzbezeichnung der spanischen BancoBilbaoVizcaya. Die kam vor einiger Zeit mal finanziell ins Schleudern.
@ Prof. Kreiss
Wie schön, wieder ein Schwarzmaler, der es hinterher schon vorher gewusst hat. Von solchen Propheten haben wir schon genug, und genug. Die Welt braucht positives Denken und Handeln.
Sie reduzieren die latente Fragilität der Finanzmärkte auf die aktuelle Lage der Türkei und deren möglichen Einfluss auf die globale Finanzliquidität. Das ist aber zu kurz und einäugig geschossen. Die vorige Finanzkrise wurde auch nicht, wie Sie mehrfach eingrenzend schreiben, durch zu hohe Immobilien- und Aktienpreise ausgelöst, sondern durch kriminelle Machenschaften der Wall Street, faule Kredite als "Asset Backed" Investment Papiere (Werte-gesicherte Investitionswerte) in den globalen Finanzmarkt zu streuen. Leider haben die meisten Banken das nicht durchschaut (deren Kunden leider noch weniger), hauptsächlich deswegen, weil in den oberen Etagen der Banken keine wahren, gelernten Banker mehr sassen, sondern frühere Versicherungsagenten, die von den neuen Eigentümern der Banken, nämlich Versicherungsgesellschaften, auf prestigeträchtige Bankdirektorenposten gehievt worden waren. Diese banktechischen Ignoranten, die weder von Kredit- noch von Markt-, Devisen-, Zins- oder Wertstellungsrisiken noch dem allgemeinen operationellen Bankbetrieb einen blassen Schimmer hatten, waren mit solchen Geschäftsarten und –praktiken vollends überfordert.
Lehman Brothers war das lokale Opfer, das man dafür in den USA über die Klinge springen liess, im Übrigen zu Gunsten einiger der im Hintergrund agierenden, am Profit einer Übernnahme der verbleibenden Nettoassets von LB interessierten Wall-Streetler. LB wäre durchaus zu retten gewesen.
Der auslösende Grund für die weltweit folgende Krise war weniger der Untergang von LB als mehr die Angst und Panik der Banken, keine ausreichende Kontrolle und Sicherheit darüber zu haben, wo das eigene Geld im internationalen Finanznetz eigentlich liegt, und ob alle beteiligten Akteure ihre Verbindlichkeiten zur Rückentwicklung der gegenseitig eingegangenen Finanzverkettungen ablösen könnten. Das Problem war also und würde auch heute wieder der plötzliche Vertrauensverlust des Marktes in die Gesamtliquidität und die Liquidität der beteiligten Marktplayer sein.
Nur um diesen Vertrauensverlust und das damit einhergehende Chaos zu vermeiden, wurden und werden finanzlabile Staaten wie Argentinien, Mexiko, Polen und Griechenland, um nur einige zu nennen, laufend von den internationalen Finanzmärkten, IMF, Worldbank und Geschäftsbanken (syndicated Loans) usw. gestützt und der Markt damit stabil gehalten.
Man kann sicher sein, dass auch die Türkei, ein geopolitisch wichtiges Land und Natopartner, nicht im Regen stehen gelassen wird, auch wenn Herr Erdogan und "the Turcs" von den Amerikanern und der Wall Street nicht geschätzt werden (spreche aus meiner Erfahrung mit US Bankmanagern).
Insofern halte ich es für unseriös, die Türkei schon im voraus kassandra-artig als alleinigen Auslöser einer nächsten Weltfinanzkrise 2.0 auszurufen. Eine solche kann durch jeden anderen labilen oder ausfallenden Player am Finanzmarkt ausgelöst werden.
Hierzu muss noch angemerkt werden, dass die Banken, zumindest die US- und europäischen Banken, inzwischen wesentlich verbesserte Kapitaldeckungen haben und die Finanz- und Aufsichtsbehörden und internationalen Marktstrukturen über entsprechend ausgeweitete Interventionskapazitäten verfügen, um einen unkontrollierten Zusammenbruch soweit (und hoffentlich so lange) wie möglich zu vermeiden.
Ihr Artikel ist insofern inkomplett und weitgehend negativ, da diese Aspekte nicht erwähnt werden;
Wir brauchen nicht noch mehr Schwarzmaler in unserer Welt, sondern Menschen mit positiven Gedanken und entsprechenden Initiativen. Dazu gehört in erster Linie eine ausgewogene Berichterstattung.
Auch ich habe das Bankfach, Wirtschaftslehre und internationales Bank- und Handelsrecht und Finanzauditing in drei verschiedenen Ländern/Unis studiert und nunmehr 40 Jahre im internationalen Finanzmarkt gearbeitet.
Ich habe meine Kenntnisse, Errfahrungen und internationalen Geschäftsbeziehungen dazu benutzt, internationale Bankgeschäfte, Finanzbeziehungen, globales Cashmanagement sowie Bank- und Börsenunternehmen zu modernisieren und zu restrukturieren, und Kontrollsysteme für die internationalen Finanzströme entwickelt und weltweit eingeführt.
Ich wiederhole: Wir brauchen keine Schwarzmaler in unserer Welt, sondern Menschen mit positiven Gedanken und ebensolchen Initiativen!
Statt Kassandrarufe, die nur Ängste und Panik beim „kleinen Mann“ schüren, wären für die Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte eine allgemeine Neuorientierung der Geschäftspraktiken und -grundlagen, erweiterte Sicherungsmassnahmen und verbesserte Kontrollen (s. BBVA, Wirecard, Cum-Cum und Cum-Ex Betrug,, Dresdner Bank/Allianz-Pleite, DG-Bank- und WestLB-Pleite, usw. usw.) und bessere Kenntnis der Märkte und Handelsprodukte sowie grösseres Verantwortungsbewusstsein der Politiker und der Banker wichtige Schritte zur Sicherung der internationalen Finanzmärkte.
Da wäre noch viel Schaffensraum für positive Initiativen.
Beste Grüsse an alle Leser,
Ralph Oppel
Diejenigen, die keinen freien Zugang zu USD haben, werden in der Regel (fast) alles tun und sich allen Forderungen unterwerfen, um diesen Zugang zu bekommen. Wirklich Alle? Nun, da wimmelt es ja nur so von Möchtegern Asterix und Obelix mit mehr oder weniger guten Karten (oder Zaubertränken) in den Händen.
Letztlich steuert die Fed diesen Prozess und sie nennt ihn "SWAP Lines". Auf der Fed eigenen Website werden die Swap Lines ziemlich gut erklärt (siehe: https://www.federalreserve.gov/newsevents/pressreleases/swap-lines-faqs.htm)
Hier findet man die Liste der Länder, die freien Zugang zu USD über die Swap Lines haben und damit jederzeit ihre eigene Währung gegen (frisch gedruckte) USD tauschen können. Es sind folgende Länder, bzw. deren Zentralbanken:
- Bank of Canada
- Bank of England
- ECB
- Bank of Japan
- Swiss National Bank
Diese Liste wurde am 19.03.2020 durch folgende Länder erweitert (was für ein zufälliges Datum):
- Reserve Bank of Australia
- Banco Central do Brasil
- Danmarks Nationalbank
- Bank of Korea
- Banco de Mexico
- Reserve Bank of New Zealand
- Norges Bank (Norway)
- Monetary Authority of Singapore
- Sverige Riksbank
Sieht jemand die Türkei auf dieser Liste?
Was bedeutet dies nun? Für die "Guten" bedeutet es, dass sie sich weiter in USD verschulden können und damit weiter in die Abhängigkeit gezogen werden und für die "Weniger Guten" ist die Situation von vorneherein heikel, da jeglicher Stress in deren nationalen Finanzsystemen einen immensen USD-Bedarf auslösen wird. Genau diesen Stress möchten diese Länder gerne dadurch abmildern, dass sie in den edlen Club der SWAP-Line Nations aufgenommen werden wollen. Wir ahnen schon zu welchem Preis.
Falls nicht, hier ein paar Ideen: diese Länder werden sich hüten ihre Gold-, Cu-Minen, Ölquellen etc. zu verstaatlichen und amerikanischen Konzernen Übernahmen in diesen und anderen Sektoren zu erschweren oder gar zu verbieten. Natürlich werden sich diese Länder auch davor hüten USD-Rückflüsse in Form von Gewinnen und Dividenden durch irgendwelche Kapitalkontrollmassnahmen zu behindern.
Ca. 85 weitere Länder bewerben sich gerade für den direkten Zugang zu USD in Form von einer SWAP Line. Darunter befindet sich auch Indien, das wahrscheinlich die besten Chancen hat demnächst aufgenommen zu werden. Der Preis dafür ist immer aussenpolitischer Gehorsam und den bezahlt Indien gerade dadurch, dass es China an seiner Nordgrenze mit einem Konflikt beschäftigt, den kein Mensch je verstehen wird.
Es werden weitere Länder folgen, die hier Schlange stehen, erst recht, wenn MMT die Welt weiter mit USD flutet. Dadurch wird der geopolitische Hebel für die USD-Herausgeber immer grösser. Dies läuft zwangsläufig auf die Spaltung der Welt hinaus. Es wird zumindest drei Länder geben, die hier niemals dabei sein werden: China, Russland und Iran. Vielleicht kommt die Türkei irgendwann mit dazu.
Zurück zu dem eigentlichen Thema in diesem Beitrag: könnte die Türkei der Trigger zu dem nächsten Crash sein?
Meine Meinung dazu: Es kommt drauf an!
Kriegt Erdogan gerade noch die Kurve und positioniert sich gegen Putin wird alles gut. Ansonsten passiert, was passieren muss. Ob das dann den Rest der Welt mit in den Abgrund reissen wird, weiss niemand. Auch dies könnte ja durchaus gewollt sein. Wenn man sich die weltweiten "Corona-Massnahmen" ansieht, kann man ja nur zu dem Schluss kommen, dass der Zusammenbruch mit aller Gewalt herbeigeführt werden soll. Aber wer hat hier schon den richtigen Blick auf die Glaskugel?
Jedenfalls bleib ich dabei: rein wirtschaftlich und geldpolitisch steht die Türkei nicht so schlecht da im Vergleich zu anderen Nationen. Was immer dort in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten passiert, es wird wohl auch so gewollt sein und wie immer leiden die Menschen am meisten, die eigentlich nichts anderes wollen als in Ruhe gelassen zu werden. Und das ist überall auf der Welt so.