Hans-Jürgen Papier begann seine Rede mit der Feststellung, dass die Corona-Pandemie eine außergewöhnliche Herausforderung des Rechtsstaates dargestellt habe. Dazu führte er aus: „Gesetzgebung und Verwaltung, aber mit Einschränkung auch die Judikatur, auch – und ich möchte sagen insbesondere die des Bundesverfassungsgerichts – haben im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung die Anforderungen des Rechtstaates nicht immer hinreichend beachtet und vor allen Dingen nicht durchgesetzt. Von der verfassungsrechtlichen Judikatur hätte man angesichts der weitgehenden und der länger währenden Einschränkungen der Freiheitsrechte, wie ich meine, eine frühzeitige und abgewogenen Entwicklung verfassungsrechtlicher Maßstäbe erwarten können, welche die höchst unterschiedlichen Schweregrade der diversen Grundrechtseinschränkungen oder -beschränkungen angemessen berücksichtigten.“
Alle diese Fragen bedürften, so Papier, „unbedingt auch der rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung“, damit der Rechtsstaat in künftigen ähnlichen Krisenzeiten auch unter juristischen Aspekten besser gewappnet sei. „Dem Staat bei der Pandemiebekämpfung ein undifferenziertes, ein allgemeines und letztlich unbegrenztes verfassungsrechtliches Plazet für Freiheitsbeschränkungen und Grundrechtssuspendierungen jeder Art und jeden Ausmaßes zu erteilen, wie das ja in der Praxis geschehen ist, entspricht jedenfalls nicht unserer rechtsstaatlichen freiheitlichen Ordnung.“
Explizit vertritt Papier die Ansicht: „Nach dem Motto zu verfahren, die Not kenne kein Gebot oder der Zweck, der gute Zweck oder der vermeintlich gute Zweck heilige jedes Mittel, scheint auch in diesem Land bisweilen hintergründig die Politik zu bestimmen. So äußerte der Bundeskanzler Olaf Scholz während der Pandemie, bei der Pandemiebekämpfung gäbe es keine roten Linien. Meine Damen und Herren, in einem freiheitlichen Verfassungsstaat sollten solche Überlegungen selbst in Notzeiten, selbst in Krisenzeiten eindeutig zurückgewiesen werden. Es steht ja völlig außer Zweifel, dass die Grundrechte des Grundgesetzes auch in Zeiten von Krisen oder Notzeiten gelten oder gelten müssen.“
Weiter konstatierte Papier: „Auch die grundsätzlich berechtigten Forderungen nach effektiven staatlichen Präventionsschutzmaßnahmen oder – nehmen wir das andere Thema – oder etwa nach einer besseren oder effektiveren Klimapolitik, rechtfertigen nicht eine antidemokratische Regierungsstruktur, das heißt die Suspendierung oder folgende Suspendierung, zeitweilige Suspendierung der Freiheitsrechte zugunsten eines auf Obrigkeit, Reglementierung, Überwachung und eines die freien Bürgerinnen und Bürger dieses Landes letztlich als Untertanen behandelnden Fürsorgestaates.“
Papier scheute sich nicht, einen persönlichen Eindruck zur Corona-Pandemie wiederzugeben: „Mich haben schon die autoritären Versuchungen überrascht, mit denen nicht nur die Politik aufgewartet hat, sondern [die] beispielsweise auch im intellektuellen Bereich anzutreffen waren.“ Er stellte fest: „Der liberale freiheitliche Rechtsstaat darf eben nicht einem Staat geopfert werden, der – wenn auch aus hehren Gründen – Bürgerinnen und Bürger mit einer Flut von Geboten und Verboten überzieht.“
Das sei, so Papier, nicht nur eine Frage des Verfassungsrechts, des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit, sondern auch eine Frage des praktischen Nutzens, denn „je mehr Gebote und Verbote es gibt, desto stärker schwillt die staatliche Bürokratie an, die aber trotzdem der Normenflut nicht Herr werden kann“. Das wiederum schwäche das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des demokratischen Rechtsstaates wie auch in die Funktionsfähigkeit und die Rechtlichkeit seiner Rechtsordnung. Vor hektisch betriebenen und nicht hinreichend durchdachten Katalogen von Ge- und Verboten könne man daher nur warnen.
Mit dem Gewicht seiner ehemaligen Funktion als Präsident des höchsten deutschen Gerichts schließt Hans-Jürgen Papier mit den Worten: „Ein Staat, der alle persönlichen Risiken seinen Bürgerinnen und Bürger abzunehmen versucht, wird selbst zum Risiko für den Rechtstaat.“ Es sei nicht Aufgabe des Staates, seiner Gesetzgebung, seiner Exekutive, aber auch nicht seiner Judikative, „den Menschen im Einzelnen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben und was sie zu denken haben“.
Der Vortrag von Hans-Jürgen Papier, der von Politik, Medien und Wissenschaft zur Kenntnis genommen werden sollte, ist ein Hoffnungsschimmer am Horizont und verdient weite Verbreitung.
Kommentare
Diese und noch mehr Fragen bleiben bei mir zurück.
Was für ein Rechtsstaat
Was für ein freiheitlichen Verfassungsstaat?
Was für ein Staat?
Was für Grundrechte?
Was für ein Bundesverfassungsgericht?
Wenn es sein muß, mit Impfzwang und Kasernierung wie es sich für "Demokraten" ala Pinochet gehört.
Es spielt ergo gar keine Rolle mehr, welche unserer Hüter des Rechts tätig wird und in wie weit,
da wir gesamtdeutsch abgedankt haben!
Und wird er Bürger unbequem, dann ist er sicher Rechtsextrem...gell?
Wer wirklich Hintergründe und Zusammenhänge sucht, wird hier fündig: Thomas Röper " Inside Corona".
Freundlichen Grüße, Wolfgang Bittner
Und so spüren wir die Divergenz unserer tollen Demokratie: Jeder ist für alles verantwortlich und keiner für irgendwas. Die Regierung scheint nur ein grotesk programmiertes Hologramm zu sein, das aber beeindruckend viel Macht auf uns ausübt.
Man schaue sich unseren "obersten Feldherren" an, der seit einem Jahrhundert Freiheit, Demokratie und Frieden für alle zum Ziel hat, aber leider bisher alles in Schutt und Asche legte, wo er auch hinkam. Und genau da gibt es die absolute Freiheit der Wahl? Ich würde sagen, ein Minimum an Wahlmöglichkeit musste "man" zähneknirschend zulassen, also 2, Repuplikaner und Demokraten, sonst wäre der Plan aufgefogen. Auf die Frage, on eine 3. Partei in USA etwas bringen würde, fragte Noam Chomsky mal zurück: "Gibt es denn eine zweite?"
Ich glaube man fährt gut damit, wenn man sich eines bewusst macht: wir leben auf dem Planet der Lügen und sollten fast immer die verkündete Wahrheit als eine auf den Kopf gestellte Lüge überprüfen...
Prost Deutschland!
Bestimmte Grundrechte waren aus GUTEM GRUNDE unabänderlich
Waren………..
Genau darum ging es und geht es weiterhin. Ein ausufernder Staat garantiert Wählerstimmen, "Beschäftigung", totale Abhängigkeit vom Staat für die breite Bevölkerung und führt uns in den Kollektivismus, den die weltweiten Eliten sich wünschen (für alle ausser ihnen selbst).
Abgehakt, weiter geht es mit der Urlaubsplanung zum Jahreswechsel oder nächster Sommerurlaub.