Keine Meldung in staatlichen Medien

Die staatliche Nachrichtenagentur Athens News Agency /Macedonian News Agency, kurz AMNA genannt brachte am internationalen Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, zwar eine Meldung zur Veröffentlichung der Rangliste, vermied es aber, die Einstufung Griechenlands zu erwähnen. Die linksorientierte Zeitung EfSyn sieht darin eine Bestätigung des desolaten Zustands der Pressefreiheit im Land.

Tatsächlich vermeldete die AMNA, dass Russland und China Probleme mit der Pressefreiheit haben und auf den Plätzen 155 und 175 stehen. Besonderes Augenmerk legt die AMNA auf das Abrutschen von Hongkong von Platz 80 auf Platz 148. Es wird zudem erwähnt, dass 73 Prozent der Staaten Probleme mit der Pressefreiheit haben. Dass Griechenland dazu gehört, erfahren die Leser der Agenturmeldung nicht. International war Griechenlands Abrutschen dagegen für viele Medien, so auch für Politico, ein Thema.

In Griechenland wundert sich niemand über die Berichterstattung der staatlichen Nachrichtenagentur. Schließlich untersteht die AMNA seit dem Wahlsieg der konservativen Nea Dimokratia per Präsidialdekret Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Es war eine der ersten Amtshandlungen des Premiers, der sich damals auch den staatlichen Rundfunk und den Geheimdienst persönlich unterstellte. Seinerzeit rangierte Griechenland bei der Pressefreiheit auf Rang 65.

Regierungssprecher greift Reporter ohne Grenzen an

Regierungssprecher Giannis Oikonomou kommentierte schließlich doch noch die peinliche Einstufung in der Rangliste.

Die Behauptung, dass es in Ländern wie Burkina Faso, dem Tschad, der übrigens von der Armee regiert wird, aber auch den besetzten Gebieten [Zyperns], die die NGO „Reporter ohne Grenzen“ „Nordzypern"nennt, obwohl sie international nicht anerkannt sind, laut ihrem Bericht mehr Pressefreiheit als in Griechenland gibt, wirft, außer dass es ihr an Ernsthaftigkeit fehlt, berechtigte Fragen zu Methodik und Quellen der Autoren auf"

schreibt der Regierungssprecher im Rang eines Staatsministers auf Facebook. Der Facebook-Eintrag des Sprechers wurde von der AMNA publiziert.

Die Leser der Agenturmeldung erfahren erneut nicht, welchen Platz Griechenland in der Rangliste bekam. Sie werden aber darüber informiert, dass Oikonomou selbst in den Gegenangriff überging und seinerseits einen Brief an die Reporter ohne Grenzen geschrieben hat.

Darin wünscht Oikonomou von den Reportern ohne Grenzen eine umgehende Antwort ohne „nicht entschuldbare Verzögerung“ und verlangt die Klärung der folgenden Punkte:

a) Eine klare und begründete Zusicherung, dass in der Liste der „Experten für Pressefreiheit“, die an der Beantwortung der Fragebögen für Griechenland teilgenommen haben, keine von der griechischen Justiz untersuchten Personen enthalten sind, sodass die Untersuchung unparteiisch ist und international akademischen Standards genügt.

b) Die genaue Methodik, die angewendet wird, insbesondere für die messbaren und objektiven Indikatoren, für die Einstufung eines Landes und die Art und Weise der Berechnung der Punktzahlen.

c) Die Kriterien, die für das Ranking der Länder verwendet wurden.

d) Die Daten von Griechenland aus dem Jahr 2015.

Die AMNA veröffentlichte die Fragen Oikonomous unkommentiert. Dies soll implizieren, dass Reporter ohne Grenzen eine intransparente, obskure Nichtregierungsorganisation (NGO) darstellt, die zudem „von der griechischen Justiz“ ins Visier genommene Menschen als Entscheider über den Grad der Pressefreiheit beschäftigt. NGOs sind in Griechenland, auch von der Regierung, vor allem im Rahmen der Flüchtlingskrise mit einer negativen Konnotation bedacht worden.

Ganz ohne Brief und Raketenwissenschaft, mit einem einfachen „Trick“, dem Besuch der Internetpräsenz der Reporter ohne Grenzen hätten der Staatsminister und auch die Agentur Antworten erhalten können. Sämtliche Ranglisten der Pressefreiheit, nicht nur seit 2015, sondern seit 2002, als Griechenland noch auf Rang 19 eingestuft wurde, sind online abrufbar. Über das Archiv derReporter ohne Grenzen (RSF)gibt es zudem Einblick in die jeweils verwandte Methodik zur Ermittlung der Rangliste.

Im online abrufbaren Text zur Methodik für die aktuelle Rangliste ist zu lesen dass:

Die Rangliste beruht auf einer Punktzahl von 0 bis 100, die jedem Land oder Gebiet zugewiesen wird. Die bestmögliche Punktzahl (der höchstmögliche Grad an Pressefreiheit) ist 100, die schlechteste ist 0.
Dieser Wert wird auf der Grundlage zweier Komponenten errechnet:
• einer quantitativen Erfassung von Übergriffen gegen Medienschaffende bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sowie gegen Medienunternehmen;
• einer qualitativen Analyse der Situation in jedem Land oder Gebiet, die anhand der Antworten von Spezialist*innen für Pressefreiheit (Journalist*innen, Forscher*innen, Wissenschaftler*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und anderen) auf einen in 23 Sprachen vorliegenden Fragebogen von RSF erstellt wird.“

Der Fragebogen ist ebenso wie eine detaillierte Aufstellung über die einzelnen Punktzahlen, welche die Bewertung bestimmen, online abrufbar. Das Einzige, was online bei den Reportern ohne Grenzen nicht abrufbar ist, sind die Namen der befragten Personen. Tatsächlich erscheint dies eine gewisse Logik nicht zu entbehren. Denn für Journalisten ist es üblich und dem Berufsethos entsprechend, Quellen keiner strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen.

Der Quellenschutz zählt zu den wesentlichen Bestandteilen der Pressefreiheit. Oikonomou, dem als Kabinettsmitglied durch seine Position das Generalsekretariat für Presse und Kommunikation untersteht, sollte zumindest den journalistischen Quellenschutz kennen. Die Tatsache, dass die EU Kommission Griechenland anmahnt, endlich die EU-Direktive für Whistleblower umzusetzen, muss einem Kabinettsmitglied bekannt sein.

Selbstzensur und staatliche Finanzierung

Die Einstufung eines Staates in der Rangliste beruht nicht nur auf Fragebögen und Expertenaussagen. Cashkurs berichtete bereits mehrfach über Missstände im griechischen Pressewesen, so auch über eine von allen journalistischen Verbänden kritisierte Strafrechtsnovelle, welche „Fake News“ oder, was von der Regierung als solche, oder aber als „geeignet, die Öffentlichkeit zu beunruhigen oder zu verängstigen oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Volkswirtschaft, die Verteidigungsfähigkeit oder die öffentliche Gesundheit des Landes zu erschüttern“ einstuft unter schwere Strafen für Journalisten, Chefredakteure und Verleger stellt. Derartige Gesetze bewegen Journalisten zur Selbstzensur.

Die Tatsache, dass bevorzugt hohe Corona-Beihilfen an Medien, die besonders regierungsfreundlich sind, ausgezahlt wurden, trug nicht unbedingt zur Verbesserung der Pressefreiheit bei. Schließlich ist die Gewalt gegen Journalisten, so auch der von den Reportern ohne Grenzen erwähnte Mord an dem investigativen Journalisten Giorgos Karaivaz aktenkundig.

Zu bestimmten Themen, wie zum Beispiel den Flüchtlingen, ist kaum noch umfassende Berichterstattung möglich. Flüchtlingscamps wurden von der Presse abgeschirmt. Berichte über ankommende Flüchtlingsboote sind nicht möglich, ohne dass sich Reporter der Gefahr aussetzen, als Flüchtlingshelfer eingestuft zu werden. Das Grenzgebiet an der Landesgrenze zur Türkei wurde zum militärischen Sperrgebiet.

Die Liste mit Missständen ließe sich beliebig fortsetzen. Wie sehr die Medien- und Meinungsvielfalt im Land unter der Politik der aktuellen Regierung leidet, demonstriert am besten das Zahlenwerk einer unabhängigen griechischen Behörde.

Dem griechischen Rundfunkgesetz zufolge müssen die Parteien ihre Programme und ihre Beiträge zur politischen Meinungsbildung im Fernsehen in Nachrichten und politischen Talkshows in dem Maß präsentieren können, wie es den Ergebnissen der jeweils letzten Wahl entspricht.

Der Rundfunkrat, ESR, als Aufsichtsgremium lieferte die Daten dazu, wie sehr 2020 die Nea Dimokratia, die allein die Regierung stellt, von den Medien bevorzugt wurde. Die Fernsehmedien lassen in rund 75 Prozent ihrer Sendezeit die Regierung oder die Regierungspartei zu Wort kommen. Für die gesamte Opposition bleibt nur ein Viertel der Sendezeit.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Der Leser erfährt im Text, wie es um ein wesentliches Element der demokratischen Meinungsfindung, die Pressefreiheit in Griechenland steht. Transparenz und Gerechtigkeit sind notwendige Voraussetzungen, um einen Staat für Investoren krisensicher interessant zu machen. Die aktuelle Entwicklung rund um den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine zeigt, dass momentan besonders genau hingeschaut wird, wie die politischen Verhältnisse in einem Staat sind.

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