Griechenland boomt, Deutschland schwächelt und daran wird sich so schnell nichts ändern - das ist die von der Regierung in Athen verbreitete Erfolgsstory. Beim Besuch des EU-Kommissars für Wirtschaft und Währung Paolo Gentiloni im griechischen Finanzministerium in Athen am vergangenen Dienstag verkündete der Italiener vor der Presse, „Griechenland hat im Vergleich zum Durchschnitt der Europäischen Union eine stärkere Wirtschaft. Es ist eine der leistungsstärksten Volkswirtschaften.“

Selbstredend, dass Gentiloni auch in der Politik der EU-Kommission einen Grund für Griechenlands Boom sieht. So viel Selbstlob musste sein.

Wahlkampfsprüche

Er lieferte damit Finanzminister Kostis Hatzidakis eine Steilvorlage für einen Europawahlkampfspruch:

Wir treiben Änderungen und Reformen voran, die wir bereits gesetzlich verankert haben, zum Beispiel den Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Zusammen mit weiteren Änderungen, wie dem Gesetzentwurf zur Förderung von Unternehmensfusionen und der Gesetzesnovelle zur Förderung von Innovationen, kommt die Flexibilisierung des Wachstumsfonds mit effizienteren Tochterunternehmen. Dieser Geist wird sich natürlich auch im neuen griechischen Vierjahresprogramm widerspiegeln, das im September in Brüssel vorgelegt wird. Also lasst uns weitermachen! Griechenland geht optimistisch voran. Es geht mit Optimismus voran, denn wir versuchen jeden Tag mit Seriosität und Zuverlässigkeit zu agieren!

Medien, die nur im Ausland Probleme sehen

Dass solche Sprüche einer Regierung und der sie unterstützenden Think-Tanks von der Opposition kritisiert werden, ist normal und kann kaum anders erwartet werden. In den griechischen Medien hängt der Grad kritischer Berichterstattung jedoch davon ab, unter wessen Kontrolle das jeweilige Medium ist.

Skurril ist zum Beispiel, dass im griechischen staatlichen Rundfunk lange darüber berichtet wird, dass es auf Ibiza für Arbeitnehmer trotz Vollzeitstellen Probleme gibt, eine erschwingliche Wohnung zu finden, aber verschwiegen wird, dass es auf griechischen Inseln nicht anders aussieht.

Nicht nur im Tourismus Beschäftigte, auch medizinisches Personal, Lehrkräfte und Mitarbeiter der Archäologiebehörde schaffen es nicht auf den griechischen Inseln eine Unterkunft zu mieten. Die touristische Nutzung über die Kurzzeitvermietung von Stadtwohnungen mittels der einschlägigen Internetportale hat das Problem auch in die Hauptstadt Athen gebracht.

Die regierungsnahe private Presse hat zudem berichtet, dass der CEO von Ryanair Michael O’Leary für neu eingestellte Piloten und Kabinenpersonal in Irland Wohnraum zur Verfügung stellt, anders könnte das Airline-Personal keinen Wohnraum bezahlen. Na, wenn es schon auf Ibiza und in Irland so schlimm ist, geht es uns in Hellas doch noch gut, ist die offensichtliche Botschaft an die Medienkonsumenten.

Mahnungen vom Zentralbankchef

Fakt ist, dass die Zahl der Griechen, die sich ihre Wohnkosten nicht mehr leisten können, 2023 um stolze 62 Prozent gestiegen ist. Jeder vierte Haushalt hat Probleme mit den Kosten rund um die Wohnung. Tatsache ist auch, dass selbst im staatlichen Rundfunk über die weiterhin extrem steigenden Lebensmittelpreise berichtet wird. Als Gegenmittel lässt die Regierung den Mindestlohn erhöhen.

Zentralbankchef Yannis Stournaras mahnt dagegen an, dass bei Lohnerhöhungen mittelfristige Entwicklungen der Arbeitsproduktivität sowie das aktuelle Klima hoher Unsicherheit berücksichtigt werden müsse. Er warnt zudem davor, dass Oligopole die griechische Wirtschaft schädigen würden. Hatzidakis, der Firmenfusionen favorisiert, möchte jedoch gerade diese gesetzlich weiter anheizen.

Stournaras, von 2012 bis 2014 selbst Finanzminister, fürchtet, dass die aktuelle geopolitische Lage in der Ukraine und im Nahen Osten Griechenlands Wachstum ausbremsen könne. Klimaprobleme und Ernteausfälle wären ein weiteres Risiko. Zudem rechtete die Zentralbank vor, dass der öffentliche Sektor gemessen an seinem Beitrag zur Bruttowertschöpfung des Bruttoinlandprodukts der größte Sektor der griechischen Wirtschaft ist. Er trägt 19,4 Prozent zum Wachstum bei. Ein Betrag, für den die sieben größten folgenden Sektoren der griechischen Wirtschaft nötig sind.

Schein und Sein – oft sehr gegensätzlich

Optimistische Botschaften für die griechische Wirtschaft standen auch bei der Eröffnung des 9. Delphi Economic Forum auf dem Programm der meisten Redner. Auch hier wurde nicht mit Selbstlob gespart. Die Reeder, vertreten durch die Vorsitzende des Reeder-Verbandes Melina Travlou, feierten sich als „Speerspitze der Weltschifffahrt“. Sie rechnete vor, dass die griechischen Reeder mehr als 60 Prozent der europäischen Schifffahrt kontrollieren. An ihre Landsleute gewandt beschwor sie, „die Schifffahrt wird immer hier sein, ein Begleiter für das Gemeinwohl.

Wirklich?“ möchte man ihr förmlich zurufen. Denn die griechischen Reeder, die wegen ihres vielbeschworenen „wichtigen Beitrags zum Wohl der Nation“ laut griechischer Verfassung und zahlreicher Gesetze in den Genuss einer Unzahl von Steuerbefreiungen kommen, bemühen sich tatsächlich um das Gemeinwohl – nicht Europas oder Griechenlands, sondern Chinas.

Allein 2023 bestellten sie 162 Schiffe bei chinesischen Werften und sorgten damit für 61 Prozent des in China registrierten Bestellvolumens. Seit der Jahrtausendwende haben die griechischen Reeder knapp 1500 Schiffe für rund 70 Milliarden Euro bestellt. Die griechischen Reedereien, die sich hinsichtlich Ausnahmen von Sanktionslisten durchgesetzt haben, transportieren auf ihren Schiffen 50 Prozent der in China verbrauchten fossilen Energieträger. Ein Schelm, wer errät aus welchen Land das Öl und Gas stammt.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Im Text erfahren die Leser, warum Griechenland trotz zahlreicher positiver Wirtschaftsmeldungen keine „absolut sichere Bank“ ist und es den griechischen Bürgern nicht unbedingt gut geht. Es ist nicht alles Gold, was auf den ersten Blick glänzt.

Boomende Wirtschaftszahlen, zum Beispiel von Reedereien, tragen nicht zum BIP in Griechenland oder Europa, sondern zur wirtschaftlichen Erholung Chinas bei. Staatlich bezahlte Investitionsprogramme erhöhen das Wirtschaftswachstum, aber deren Nachhaltigkeit muss sich erst erweisen.

Zudem bleibt festzuhalten, dass wir alle für die Sanktionen zahlen, während einige in der Lage sind, für sich Ausnahmen davon zu erzwingen bzw. zu erkaufen.

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