In ihrem Arbeitsprogramm für 2023 führt die EU-Kommission für das zweite Quartal 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung zum digitalen Euro auf. Dieser Vorschlag liegt mir vor. Ich nenne den Vorschlag kurz eEuro-Verordnung oder Verordnung, auch wenn es erst einmal nur ein Vorschlag ist. Veröffentlicht werden soll er am 28. Juni.

Ebenfalls im zweiten Quartal will die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung der Konsequenzen des Status von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittels vorlegen. Dieser Vorschlag liegt mir nicht vor. In der eEuro-Verordnung heißt es, die Bargeld-Verordnung solle die Ausgestaltung des Status des gesetzlichen Zahlungsmittels zwischen dem eEuro und dem Euro-Bargeld harmonisieren. Es wird für das weitere Schicksal des Euro viel davon abhängen, wie genau diese Harmonisierung aussieht. Ich bin aufgrund der bisher dezidiert bargeldfeindlichen Politik der EU-Kommission nicht zuversichtlich.

Im vorangestellten Explanatory Memorandum (Erläuternde Anmerkung) begründet die EU-Kommission die eEuro-Verordnung vor allem damit, dass die Nutzung von Bargeld immer weiter zurückgehe und in diesem Zusammenhang:

„Das Fehlen einer weithin verfügbaren und nutzbaren Form von Zentralbankgeld, das technologisch an das digitale Zeitalter angepasst ist, könnte auch das Vertrauen in Geschäftsbankgeld und letztlich in den Euro selbst schwächen. Das Vertrauen in Geschäftsbankgeld hängt von der Möglichkeit der Einleger ab, ihre Einlagen zum Nennwert in Zentralbankgeld mit gesetzlichem Zahlungsmittel umzutauschen, das derzeit nur in Form von Bargeld verfügbar ist.“ (Durchgängig meine Übersetzungen des englischen Originaltexts.)

Mengengrenzen entwerten den digitalen Euro

Diese Begründung führt die Kommission aber selbst ad absurdum, indem sie in die eEuro-Verordnung die Möglichkeit von Obergrenzen für das Halten von eEuro und für Transaktionsvolumina mit eEuro festschreibt, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) festzulegen sind.

Das ist keine theoretische Möglichkeit, sondern erklärte Absicht der EZB, und die EZB wird in der Verordnung auch ausdrücklich aufgefordert, Obergrenzen festzulegen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Geschäftsbanken zu viele Einlagen an die EZB und ihren digitalen Euro verlieren. Das könnte die Stabilität der Banken bedrohen, insbesondere, wenn Zweifel über deren Solvenz oder Liquidität aufkommen sollten.

Die EZB hat Beträge von etwa 3.000 Euro als Obergrenze für das Halten von eEuro genannt. Bei einer Obergrenze in dieser Größenordnung haben die meisten Menschen für den größten Teil ihrer Ersparnisse gerade nicht die Möglichkeit, diese von Bankengeld in eEuro umzutauschen. Also ein Guthaben bei einer Geschäftsbank, die Pleite gehen kann, in ein insolvenzsicheres eEuro-Guthaben umzulagern, für das die EZB garantiert.

Konkret heißt es in der Begründung:

„Die Europäische Zentralbank sollte Instrumente entwickeln, um die Verwendung des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel zu begrenzen, einschließlich Haltegrenzen. (…) Vorbehaltlich der in Artikel 16 genannten Kriterien sollte die Entscheidung darüber, ob und wann diese Instrumente eingesetzt werden, sowie deren Kalibrierung ausschließlich bei der Europäischen Zentralbank liegen.“

Damit durch solche Obergrenzen die Auslösung und Umsetzung eines Bezahlvorgangs nicht unterbunden werden kann, soll als Normalfall jedes eEuro-Konto mit einem normalen Geschäftsbankenkonto verbunden werden, das als Überlaufkonto fungiert. Dann können eEuro-Guthaben, die die zulässige Höhe übersteigen, automatisch dorthin transferiert und dabei in normale Bankguthaben umgewandelt werden.

Für Nutzer bringt der digitale Euro damit im digitalen Zahlungsverkehr keinen nennenswerten Vorteil gegenüber dem Bankengeld, mit dem schon jetzt Bezahlvorgänge schnell, sicher und günstig abgewickelt werden können.

Der eEuro als Bargeldersatz

Der eEuro soll nicht nur Anwendungen wie Überweisungen, Daueraufträge, Kartenzahlungen oder Zahlungen per Smartphone-App im Geschäft und Online-Zahlungen mit Bankengeld ersetzen können. Er soll auch so genutzt werden können, wie derzeit Bargeld genutzt wird, also im direkten Kontakt von Zahler und Empfänger unter (weitgehender) Wahrung der Anonymität. Nur der für den Zahlvorgang umzubuchende Betrag, sowie die Identität von Zahler und Empfänger sollen erfasst werden. Dazu wird dem eEuro eine Ausnahme von den sonst geltenden Geldwäscheregeln für digitale Zahlungen gewährt.

Die Kommission erläutert:

„Artikel 37 sieht einen angepassten Rahmen für die Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität bei digitalen Offline-Euro-Zahlungstransaktionen vor. In solchen Fällen erhalten weder die Europäische Zentralbank noch die Zahlungsdienstleister Zugang zu personenbezogenen Transaktionsdaten. Die Zahlungsdienstleister haben lediglich Zugriff auf Finanzierungs- und Entlastungsdaten, die sich unter anderem auf die Identität des Nutzers und den eingezahlten und entlasteten Betrag beziehen, ähnlich wie die personenbezogenen Daten, die von den Zahlungsdienstleistern verarbeitet werden, wenn die Nutzer Bargeld einzahlen oder abheben. Die Zahlungsverkehrsdienstleister sollten diese Finanzierungs- und Entlastungsdaten auf Anfrage an die zentralen Meldestellen und andere zuständige Behörden übermitteln, wenn die Nutzer der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung verdächtigt werden.“

Der eEuro, gespeichert im Wallet einer App (digitale Brieftasche) oder auf einer Chipkarte, würde damit in etwa so funktionieren, wie früher die Geldkarte, die sich nicht durchgesetzt hat und käme in Sachen Wahrung der Privatsphäre dem Bargeld immerhin nahe.

Damit dürfte der eEuro eine ernstzunehmende Konkurrenz für das Bargeld werden. Denn viele Geschäfte scheuen die, auch durch bargeldfeindliche Regulierungen für sie immer teurer gewordene, Bargeldnutzung. Wenn der Widerstand der Kunden gegen das digitale Bezahlen durch die teilweise Wahrung der Anonymität bei Offline-Zahlungen mit eEuro sinkt, werden sie das gern nutzen, um Barzahlung nach Möglichkeit zu vermeiden.

Der eEuro ist also so gestaltet, dass er zum weiteren Rückgang der Bargeldnutzung und damit der Abschaffung des Bargelds beiträgt.

Sollte diese unterstellte Absicht erfolgreich sein, könnte es mit der weitgehenden Wahrung der Privatsphäre bei Offline-Zahlungen bald zu Ende sein. Die Kommission wird in der eEuro-Verordnung nämlich ermächtigt, Durchführungsrechtsakte zu erlassen, um Obergrenzen für Geldbestände in Wallets und für Offline-Transaktionen festzulegen, für die die erleichterten Geldwäschevorschriften gelten. Selbst wenn diese Obergrenzen zunächst eine vernünftige Höhe bekommen dürften, um den eEuro attraktiv zu machen, könnten sie leicht und schnell gesenkt werden, wenn das Bargeld einmal keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr ist.

Die Obergrenze bis zu der man mit aufladbaren Kreditkarten im Internet anonym einkaufen kann, hat die EU-Kommission nach und nach immer weiter bis auf einen Kleckerbetrag abgesenkt. Das zeigt deutlich, welche Haltung die EU und die Regierungen gegenüber anonymen Zahlungen haben. Außerdem heißt es in dem Verordnungsentwurf:

„Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte über die Kategorien personenbezogener Daten zu erlassen, die von Zahlungsdienstleistern, der EZB und den nationalen Zentralbanken sowie von Anbietern von Unterstützungsdiensten verarbeitet werden.“

Annahmezwang: Der digitale Euro bekommt, was dem Bargeld vorenthalten wurde

Wenig überraschend soll der digitale Euro als weiteres gesetzliches Zahlungsmittel den gleichen Status bekommen, den bisher das Euro-Bargeld hat. Aber nicht nur das, er soll erheblich gleicher als gleich sein.

Während nämlich der mit dem Status des gesetzlichen Zahlungsmittels verbundene grundsätzliche Annahmezwang für Zahlungsempfänger mit tätiger Mithilfe der EU-Kommission und der EZB immer weiter ausgehöhlt wurde, soll der eEuro mit einem Maximum an Annahmeverpflichtung und einem Minimum an zulässigen Ausnahmen ausgestattet werden.

Beim Bargeld gilt Vertragsfreiheit. Käufer und Verkäufer dürfen frei das Zahlungsmittel wählen. Wenn der Zahlungsempfänger Barzahlung in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließt und dies deutlich plakatiert, dann gilt Barzahlungsausschluss als vereinbart und zulässig. Selbst Parkhaus- und Parkplatzbetreiber und Verkehrsbetriebe, bei denen die Freiwilligkeit des Geschäftsabschlusses mangels alternativer Anbieter äußerst fraglich ist, schließen immer öfter Barzahlung aus und kommen damit durch. Auch staatliche Einrichtungen, bei denen aufgrund hoheitlicher Befugnisse Freiwilligkeit einer Vereinbarung ausgeschlossen ist, lehnen immer öfter Bargeld ab oder verbinden Barzahlung mit Extrakosten oder sonstigen Nachteilen. Weder EU-Kommission noch EZB haben je etwas gegen all das unternommen.

Im Gegenteil: In meiner Klage auf das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags, die vor dem Europäischen Gerichtshof landete, lieferten EU-Kommission und EZB dem Gericht in ihren Stellungsnahmen vor allem (aus meiner Sicht äußerst windige) Argumente, warum es zulässig sei, wenn Behörden die Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels verweigern. Das diese Haltung bestätigende Grundsatzurteil des EuGH in meinem Fall wird im Verordnungsentwurf mehrfach erwähnt.

Ganz anders die Haltung beim digitalen Euro. Da ist man sich ausdrücklich des Problems bewusst, dass die europaweite einheitliche Nutzbarkeit und Attraktivität eines Euro-Zahlungsmittels in Frage steht, wenn es Zahlungsempfängern freisteht, ob sie es akzeptieren wollen oder nicht. In Erwägungsgrund (20) heißt es daher:

„Um sicherzustellen, dass die Bürger und Unternehmen von einem breiten Akzeptanznetz profitieren und den digitalen Euro im täglichen Zahlungsverkehr effektiv nutzen können, sollten Zahlungsempfänger, die der Pflicht zur Annahme von Zahlungen in digitalem Euro unterliegen, Zahlungen in digitalem Euro nicht einseitig durch nicht individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen oder durch andere im Voraus ausgearbeitete Vertragsbedingungen, vorformulierte Standardverträge, Bedingungen, Verfahren, Angebote oder andere Mittel ausschließen, die auf eine vertragliche Vereinbarung abzielen, ohne dass der Zahler die Möglichkeit hatte, den Inhalt der Bedingungen zu beeinflussen.“

Ausnahmen solle es im Wesentlichen nur für Privatpersonen geben und für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten oder weniger als zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr, aber nur wenn diese grundsätzlich keine vergleichbaren digitalen Zahlungen akzeptieren.

„Sollen nicht“, ist im Sinne dieser Verordnung zu verstehen als „dürfen nicht“. Hätte die EU-Kommission etwas Ähnliches für Bargeld verfügt, anstatt die Bargeldverwaltung immer teurer zu machen und Bargeld immer mehr in den Ruch des Illegalen, Unanständigen zu rücken, dann könnte sie heute nicht so gespielt naiv davon sprechen, dass die Bargeldnutzung wie von allein immer weiter zurückgeht.

Eine Ausnahme von der Nutzung des eEuro für Behörden und andere staatliche Stellen, wie etwa den Rundfunk, konnte ich in dem Verordnungsentwurf nicht finden.

Hier wird noch wichtig werden, wie weitgehend im noch unbekannten Verordnungsentwurf zur Festlegung der Annahmepflichten für Bargeld die günstigen Vorschriften für den digitalen Euro tatsächlich übernommen werden. Da die EU-Kommission und die EZB vor Gericht so dafür geworben haben, dem Rundfunk und damit auch anderen staatlichen Stellen die Verweigerung der Bargeldannahme aus (vorgeschobenen) Kostengründen zu gestatten, kann ich mir kaum vorstellen, dass die Kommission keinen Trick finden wird, um den Schutz der Nutzbarkeit von Bargeld erheblich schwächer zu machen.

Vorsorglich steht in Artikel 10 der eEuro-Verordnung schon einmal:

„Zahlungsempfänger einer auf Euro lautenden Geldschuld akzeptieren Zahlungen in digitalen Euro gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung, unabhängig davon, ob sie Zahlungen in Euro-Banknoten und -Münzen gemäß der [geplanten;N.H.] Verordnung über die Gültigkeit von Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptieren.“

Der Fall, dass Bargeld abgelehnt werden darf, aber nicht der eEuro, ist damit als möglich festgehalten und geregelt.

Finanzbranche muss eEuro verbreiten …

In einer weiteren Abweichung von der Vertragsfreiheit zwingt die Verordnung alle Banken und Sparkassen, den digitalen Euro anzubieten, und alle Zahlungsverkehrsdienstleister, Zahlungen damit abzuwickeln. Denn:

„Wäre die Verfügbarkeit des digitalen Euro von freien Geschäftsentscheidungen aller Zahlungsdienstleister abhängig, könnte der digitale Euro von den Zahlungsdienstleistern an den Rand gedrängt oder sogar ausgeschlossen werden. Dies könnte die Nutzer daran hindern, Zahlungen in einer Währung zu leisten und zu empfangen, die den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels hat.“

Aus gutem Grund vertraut man nicht darauf, dass die Kunden den digitalen Euro unbedingt haben wollen und die Finanzdienstleister ihn deshalb anbieten, um ihre Kunden nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Man erzwingt lieber gleich die Verbreitung und das Dienstleistungsangebot rund um das neue Zahlungsmittel, das keinen erkennbaren Mehrwert bietet, abgesehen von subventionierten Preisen und regulatorischen Privilegien.

… und subventioniert Dossier zu Krieg gegen das Bargeld

Damit nicht genug, dürfen die Banken, Sparkassen und Zahlungsdienstleister weder für ein eEuro-Konto noch für einfache eEuro-Zahlungsdienste Privatleuten Kosten in Rechnung stellen. Sie müssen diese selbst tragen. Händlern und anderen kommerziellen Zahlungsempfängern können sie Kosten berechnen. Der Entwurf macht jedoch klar, dass die Höhe dieser Dienstleistungspreise durch strenge Regulierung auf dem Niveau der Kosten gehalten werden soll.

Erwägungsgrund (41) argumentiert dazu:

„Um einen breiten Zugang zum digitalen Euro und seine Verwendung im Einklang mit seinem Status als gesetzliches Zahlungsmittel zu gewährleisten und seine Rolle als monetärer Anker im Euro-Währungsgebiet zu unterstützen, sollten natürlichen Personen (…) keine Gebühren für grundlegende digitale Euro-Zahlungsdienstleistungen berechnet werden. Das bedeutet, dass für diese Nutzer des digitalen Euro keine direkten Gebühren für den grundlegenden Zugang zum digitalen Euro und dessen grundlegende Nutzung anfallen sollten, auch keine Transaktionsgebühren oder sonstige Gebühren, die unmittelbar mit der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der grundlegenden Nutzung des digitalen Euro verbunden sind.“

Und Erwägungsgrund (43):

„Da der digitale Euro eine Form der einheitlichen Währung ist, die den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels hat, sollten für digitale Euro-Zahlungen keine überhöhten Gebühren von Zahlungsdienstleistern erhoben werden. Insbesondere bedeutet die Zuerkennung des Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels für den digitalen Euro und die damit verbundene Akzeptanzpflicht, dass die Händler keine andere Wahl haben, als digitale Euro-Zahlungen zu akzeptieren. Außerdem untergräbt jedes Entgelt oder jede Gebühr pro Transaktion oder Zeitraum direkt oder indirekt den Nennwert der erhaltenen Zahlungen, der ein wesentlicher Bestandteil des Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels ist. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, dass eine Gebühr oder ein Entgelt als Beschränkung des Nennwerts des digitalen Euro objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel steht, eine wirksame Verwendung des digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zu gewährleisten.“

Die EZB wird beauftragt eine Preisobergrenze für eEuro-Zahlungsdienste zu festzulegen.

Programmierbar, aber nicht programmierbar

Erkennbar in Reaktion auf die allergische Reaktion der Öffentlichkeit auf die Möglichkeit, dass mit dem eEuro die Fernsteuerung unserer Geldnutzung Einzug halten könnte, etwa in Form eines Verfallsdatums oder eines Ausschlusses bestimmter Güter und Dienste von dem, was man sich mit dem Geld kaufen kann, heißt es in Erwägungsgrund (56) ausdrücklich, der digitale Euro werde nicht programmierbar sein. Allerdings auch:

„Der digitale Euro sollte die Programmierung von bedingten digitalen Euro-Zahlungstransaktionen durch Zahlungsdienstleister unterstützen. Bei dem digitalen Euro sollte es sich jedoch nicht um „programmierbares Geld“ handeln, d. h. um Einheiten, die aufgrund inhärent festgelegter Ausgabebedingungen nur für den Kauf bestimmter Arten von Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können oder die zeitlichen Beschränkungen unterliegen, nach denen sie nicht mehr verwendbar sind. Bedingte Zahlungsvorgänge sind Zahlungen, die automatisch von einer Software auf der Grundlage vordefinierter und vereinbarter Bedingungen ausgelöst werden."

Das ist Augenwischerei. Was die Kommission hier ausschließt, war nie ernsthaft in der Diskussion, nämlich eine Programmierung des Geldes, die am Geld selber ansetzt und dieses „inhärent“, unabhängig vom Halter, zum Beispiel allmählich entwertet oder seinen Einsatzbereich beschränkt.

Was vielmehr Sorge macht, ist die auch bei digitalem Geschäftsbankengeld bereits gegebene Möglichkeit, auf der Ebene der Zahlungsdienstleister dafür zu sorgen, dass deren Kunden, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen, bestimmte Zahlungen nicht mehr tätigen können – etwa Alkohol und Glücksspiel für Sozialhilfeempfänger nach dem Vorbild Australiens. Gleiches gilt für Kontensperrungen, wie sie zum Beispiel in den letzten Jahren bei unbotmäßigen Publizisten in Deutschland oder bei Menschen mit Zahlungseingängen aus China vermehrt vorgekommen sind.

Der Zusammenhang mit dem eEuro ist vor allem dadurch gegeben, dass dieser dem Bargeld Konkurrenz macht und es verdrängt, sodass kontrollierbares digitales Geld jeder Art immer wichtiger wird und die Ausweichmöglichkeiten immer weniger werden.

Schub für die digitale Identität

Durch Verknüpfung mit dem von der EU-Kommission vorangetriebenen European Digital Identity Wallet (digitale Identitätsbrieftasche), soll der eEuro auch dem nach bisherigen Maßstäben verfassungswidrigen Projekt einen Schub geben, alle Bürger mit einer biometrisch unterlegten eindeutigen digitalen Identität zu versehen, die sie für alles mögliche nutzen (müssen). Dann lassen sich auch alle möglichen Daten über sie automatisiert zusammenführen, so als gäbe es eine einzige riesige Mega-Datenbank mit allen Daten über alle Bürger.

In diesem Sinne heißt es in Erwägungsgründen (58) und (59):

„Europäische Brieftaschen für digitale Identitäten könnten digitale Transaktionen erleichtern, indem sie Authentifizierung, Identifizierung und den Austausch von Attributen wie Lizenzen und Zertifikaten ermöglichen. (…) Die von der Europäischen Zentralbank zu entwickelnden Front-End-Lösungen sollten daher die technischen Spezifikationen für die europäischen digitalen Identitätsbörsen gebührend berücksichtigen. Dies würde die entsprechende Interoperabilität mit den europäischen digitalen Identitätsbörsen ermöglichen, die es erlauben würde, diese Vorteile zu nutzen.
Die Nutzer sollten in der Lage sein, Zahlungen mit dem digitalen Euro unter Verwendung der Europäischen Brieftaschen für digitale Identitäten abzuschieben und zu autorisieren, wenn sie dies wünschen. Die Zahlungsdienstleister sollten daher verpflichtet werden, die Europäischen Brieftaschen für digitale Identitäten für die Überprüfung der Identitäten sowohl potenzieller als auch bestehender Kunden zu akzeptieren.“

Und weil man schon dabei ist, zum Durchdrücken des digitalen Euro allen möglichen Unternehmen die Vertrags- und Handlungsfreiheit zu nehmen, werden auch gleich noch die Produzenten von Smartphones und anderen relevanten Geräten verpflichtet, eEuro-Dienstleistern und allen Emittenten der digitalen Identitätsbrieftaschen für das kontaktlose Bezahlen mit eEuro Zugang zu den NFC-Antennen der Geräte und zu den sogenannten sicheren Elementen der Geräte zu geben (Erwägungsgrund (70).

Vor allem die EZB soll zwar für Datenschutz und Datensparsamkeit sorgen. Dumm nur für diejenigen, die sich darauf verlassen, dass es sich hier um eine niemand verantwortliche, fast völlig autonome Organisation handelt, die gegen nachteilige Folgen von Fehlverhalten praktisch immun ist.

So heißt es zu den Rechenschaftspflichten der EZB in Artikel 40, diese richteten sich nach Artikel 15 Absätzen 1 und 3 der Statuten der EZB. Sie erschöpfen sich in einem mindestens vierteljährlichen Bericht über ihre Aktivitäten und einem jährlichen Bericht für die EU-Organe.

Resümee

Ein eEuro mit niedrigen Grenzen für Guthaben und Transaktionsvolumina bietet Nutzern keinen Mehrwert gegenüber digitalen Zahlungen mit Geschäftsbankengeld oder mit Bargeld. Dessen ist sich die EU-Kommission bewusst und will mit der eEuro-Verordnung daher alle Beteiligten auf Anbieterseite zwingen, das neue Zahlungsmittel zu subventionierten oder höchstens kostendeckenden Preisen zu verteilen und die grundlegenden Dienstleistungen anzubieten.

Dass das nötig ist, um einem digitalen Zentralbankgeld die keine Vorteile bietet, zum Durchbruch zu verhelfen, zeigt nicht zuletzt das Beispiel Nigerias, des ersten großen Landes, das ein im Prinzip jedem zugängliches digitales Zentralbankgeld einführte. Es wurde praktisch nicht genutzt, woraufhin die Zentralbank drakonische Bargeldbeschränkungen einführte, um ihm zum Durchbruch zu verhelfen. Nach einem Regierungswechsel wurde der dafür verantwortliche Zentralbankchef jüngst abgesetzt und verhaftet.

Gleichzeitig wird der eEuro so ausgestaltet, dass er Bargeld möglichst große Konkurrenz machen kann und so dessen regulatorisch seit längerem beförderten Niedergang beschleunigt.

Wenn er auch für die Nutzer keinen Mehrwert bietet, so enthebt der eEuro als alternatives gesetzliches Zahlungsmittel die Verantwortlichen von der Notwendigkeit, das Bargeld als bisher einziges gesetzliches Zahlungsmittel zu bewahren und mit dessen absichtlicher Schwächung aufzuhören. Denn der eEuro steht dann als alternativer Anker für das Geldsystem zur Verfügung. Und die marginalisierten, auf Bargeld angewiesenen Gruppen, wie etwa die Obdachlosen, die sich in Schweden als großes Hindernis bei der Bargeldabschaffung erwiesen haben, sollen auch unabhängig von einem Bankkonto mit eEuros auf einem Speichermedium versorgt werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Norbert Häring. Vielen Dank für die Erlaubnis ihn übernehmen zu dürfen!

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