Im ersten Teil unseres Artikels sind wir auf die ebenso beliebte wie falsche Gleichsetzung von installierter Leistung und jährlicher Erzeugung unterschiedlicher Arten der Stromproduktion eingegangen. In diesem Teil gehen wir auf die von manchen verhasste, von anderen als Hoffnungsträger eingestufte Atomenergie ein.

Diese erlebt nach langer Stagnation derzeit eine weltweite Wiederauferstehung, an der sich auch Länder beteiligen, die diese Technologie bisher kategorisch abgelehnt haben. Das liegt nicht zuletzt an den deutlichen Fortschritten der Forscher und Entwickler in diesem Bereich. Während mancher beim Thema Atomenergie immer noch den aus Tschernobyl bekannten Siedewasserreaktor denkt, haben moderne Kernkraftwerke mit diesen Anlagen nichts mehr gemein.

Im Hinblick auf die deutschen Pläne zur weitgehenden Elektrifizierung des Transportwesens sowie der Heizungen bleibt es schleierhaft, wie dieses Vorhaben mit „erneuerbaren“ Energien geschultert werden soll. Der Anteil des Stroms am Primärenergiebedarf liegt bei lediglich knapp über 20 %. Dieser Wert relativiert die oft zu lesenden angeblich hohen Anteile von Windkraft und Photovoltaik an der Energieversorgung.

Die genannten Werte müssen in der Regel durch fünf geteilt werden, da viele den Strombedarf mit dem Primärenergiebedarf verwechseln und entsprechend hohe Beiträge der „erneuerbaren“ darstellen.

Sollten künftig auch vermehrt Autos und vor allem die privaten Heizungen im großen Stil von fossilen Brennstoffen auf Strom umgestellt werden, steigen die Anforderungen an die Stromproduktion und die Netze enorm. Dies ist in den oft genannten Zeiträumen, etwa „bis 2030“, nicht machbar und wird daher scheitern.

Vom weltweit wieder anziehenden Bau neuer Kernkraftwerke sollte man trotz der hohen Dynamik keine allzu rasche Beruhigung der Versorgungssituation erwarten. Ein nennenswerter Ausbau wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Zudem sind gerade die existierenden Kraftwerke vieler westlicher Länder teilweise sehr alt, sodass einige Neubauten schlichtweg einen Ersatz darstellen, wenn auch in der Regel die Erzeugungskapazität der neuen Anlagen deutlich größer sein wird als die der alten.

Während die mittlere Dauer, bis ein Reaktor fertiggestellt wird und ans Netz geht, heutzutage länger ist als früher, sollten einige extreme Ausreißer bei der Bauzeit nicht als exemplarisch angesehen werden. Es dauert ja auch nicht jeder Flughafenbau weltweit so lange wie der in Berlin.

Die Streuung der Bauzeit neuer Anlagen in den letzten Jahren war enorm und wurde nicht zuletzt vom Standort des Baus beeinflusst. So ist der Weg von der Planung bis zur Inbetriebnahme in China vergleichsweise kurz. Da man Beschlüsse ohne großes Federlesen umsetzt und die technischen Fähigkeiten im Reich der Mitte vorhanden sind, geht der Bau eines neuen Kraftwerks dort schneller vonstatten als hierzulande die Sanierung mancher Autobahnbrücke. In andern Ländern sieht das anders aus. Die folgende Grafik zeigt die historische Entwicklung der Zeiten, bis ein neues Kraftwerk ans Netz geht.

In China dauerte es im Mittel sechs Jahre bis ein Reaktor ans Netz ging, in Südkorea sechseinhalb Jahre und in Indien lag die mittlere Dauer bei zwölf Jahren. Selbst in technisch versierten Staaten dauert es also eine ganze Weile, bis ein neues Kraftwerk Strom erzeugt. Dies verdeutlicht die Auswirkungen des Ausstiegs Deutschlands aus der Kernenergie und ist vor allem im Hinblick darauf interessant, welche langfristigen Auswirkungen jemand verursacht, der aktiv daran arbeitet, vorhandene Reaktoren dauerhaft unbrauchbar zu machen.

In den genannten Bauzeiten sind die rechtlichen Vorarbeiten nicht enthalten, sodass es mutig wäre, in Deutschland für einen etwaigen Neubau mit einer Dauer von unter 20 Jahren zu planen. Das klingt gruselig, aber jeder der mit größeren „normalen“ Bauprojekten in Deutschland zu tun gehabt hat, dürfte diese Einschätzung bestätigen.

Dabei ist der Verlust technischer Fähigkeiten, die ja durch den bereits verordneten Ausstieg aus den entsprechenden Forschungszweigen dauerhaft verloren gehen, noch nicht berücksichtigt. Auch in dieser Technologie waren deutsche Forscher und Ingenieure vor nicht allzu langer Zeit noch in der Weltspitze unterwegs. Nun verpasst man auch auf diesem Gebiet eine große Chance für die Forschung und die Industrie. Das ist schade, denn angesichts des mittleren Alters der weltweit bestehenden Kraftwerke und der anspringenden Nachfrage dürfte der Bedarf an Wissen und Technologie in diesem Bereich dauerhaft deutlich zulegen. Deutschland erlebt auch in dieser Technologie mal wieder plangemäß einen „Kodak-Moment“.

Das mittlere Alter der US-Kernkraftwerksflotte verdeutlicht, warum in den Vereinigten Staaten der Druck auf die Politik zur Genehmigung des Baus neuer Anlagen, darunter auch kleine Reaktoren für die Industrie, enorm ist.

Diese Botschaft ist bei den Entscheidern außerhalb der Wirtschaft hierzulande noch nicht angekommen, bei der deutschen Industrie nach langer Schläfrigkeit und Anbiederung an die Politik hingegen sehr wohl. Die bereits erfolgten und viele weitere absehbare Verlagerungen von bisher hierzulande beheimateten Produktionsstätten zeigt dies eindrucksvoll.

Wenn der DAX steigt, ist dies eben nicht zwingend ein gutes Zeugnis für den hiesigen Standort. Viele nicht an der Börse gelistete Mittelständler, für die sich ein Standortwechsel schwierig gestaltet, können von den Problemen ein Lied singen. Die - wenn schon nicht mental, so doch wirtschaftlich - einfachste Lösung für viele Eigentümer ist auch aufgrund der zunehmenden Planungsunsicherheit nicht selten der Verkauf.

Es wäre begrüßenswert, wenn eine größere Anzahl von Unternehmenslenkern das Abnicken einstellen und ihre Kritik kundtun würde. Aber bei rund 19 Grad im Sommer und nach drei Tagen ohne Regen ist das möglicherweise aus politischen Gründen nicht mehr opportun. Dann wird das aber auch nichts mehr und es wird weiterhin geliefert wie bestellt. Das neue Motto lautet dann: „Pleite unterm Regenbogen - Keine Bühne für wirtschaftlichen Erfolg!“ Schade.

„Was heißt das konkret für mich!?“

In weiten Teilen der Politik wird es weiterhin als eines der wichtigsten Probleme angesehen, wenn im Geschäftsbericht eines Unternehmens nicht von Schweißenden oder Schweißer:Innen die Rede ist, sondern von Schweißern. Abgesehen davon, dass ein Schweißer im Urlaub (in der Regel) kein Schweißender, sondern zeitweise bestenfalls ein Schwitzender ist, würde es die meisten Unternehmen mehr freuen, wenn reale Probleme gelöst würden. Ein erster sinnvoller Schritt wäre es, nicht ständig neue Probleme zu verursachen.

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