Caracas scheint es tatsächlich ernst zu meinen

Etwaige Hoffnungen auf ein reines Ablenkungsmanöver haben sich verflüchtigt, weil die realen Gegebenheiten anders zu liegen scheinen. So hat der venezolanische Präsident Nicolás Maduro die staatlichen Erdölfirmen inzwischen dazu aufgefordert, sofort mit der Exploration und Förderung von Erdöl und Gas sowie der Aufnahme von anderen Minenaktivitäten in der guyanischen Region Esequibo zu beginnen.

Das umstrittene Territorium verfügt über eine Fläche von gut 160.000 Quadratkilometern und ist damit größer als Griechenland. Dem Nachbarstaat Guyana würden zwei Drittel des eigenen Staatsgebietes abhanden kommen. Überdies lagern vor Ort reichhaltige Mineral- und Erdölvorkommen, die natürlich Begehrlichkeiten wecken.

Unter Bezugnahme auf die amerikanische Nachrichtenagentur AP und andere Quellen haben Nicolás Maduro und dessen Regierung bereits am ersten Tag nach Abhaltung des Referendums damit begonnen, Lizenzen zur Exploration und Förderung von Erdöl, Gas und anderen Minenerzeugnissen in Esequibo zu vergeben.

Ein neues Gesetz soll die Dinge regeln

Darüber hinaus wurden venezolanische Konzerne, darunter auch der Ölriese PDVSA, dazu ermuntert, in Esequibo operierende Tochterunternehmen zu gründen. In der durch die Partei des venezolanischen Präsidenten beherrschten Nationalversammlung wird es schon bald zur Abstimmung über ein Annexionsgesetz kommen.

In diesem Gesetz soll festgelegt werden, auf welche Weise Venezuela Jurisdiktion und Oberherrschaft über das zu annektierende Esequibo ausüben wird, wenn die Region erst einmal offiziell zu venezolanischem Staatsgebiet erklärt worden sein wird.

Historisch gesehen hat Venezuela die Region Esequibo stets als eigenes Staatsgebiet betrachtet, da Esequibo zur Zeit der spanischen Kolonialherrschaft ein integraler Bestandteil Venezuelas gewesen ist.

Historischer Hintergrund

Das benachbarte und im Osten von Venezuela gelegene Guyana wurde hingegen einst durch die Briten regiert. Im Jahr 1899 war es zu einem Urteil durch eine internationale Schiedskommission (USA und Russland) gekommen, deren Mitglieder einen endgültigen Grenzverlauf zwischen beiden Ländern entschieden hatten.

Die Region Esequibo wurde damals Guyana – und somit dem Britischen Empire, welches dort zu dieser Zeit die Kolonialherrschaft ausübte – zugeschlagen.

Trotz dieses Urteils hatte Venezuela den eigens formulierten Territorialanspruch in den hierauf folgenden Jahrzehnten niemals komplett aufgegeben. Dieser unter der Oberfläche lodernde Konflikt drängte wie in Wellen immer wieder mal zurück an die Oberfläche.

Erdölentdeckungen wecken Begehrlichkeiten in Caracas – Brasilien verstärkt eigenes Militär in der Grenzregion

Als der amerikanische Energieriese ExxonMobil im Jahr 2015 bekannt gegeben hatte, große Erdölvorkommen vor der Küste von Esequibo gefunden zu haben, wuchsen in Caracas die Begehrlichkeiten. Die aktuellen Entwicklungen stellen Südamerika vor den Ausbruch eines Krieges.

Nachdem die guyanische Regierung die in Venezuela beschlossenen Maßnahmen zuletzt mehrfach zurückgewiesen und verurteilt hat, droht auch Brasilien in diesen potenziellen Militärkonflikt mit hineingezogen zu werden.

So berichtet unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters, dass Brasilien sein Militär an den Grenzen zu seinen nördlichen Nachbarstaaten Venezuela und Guyana zurzeit verstärke. Die Regierung von Lula da Silva will angesichts einer potenziellen Annexion Esequibos durch Caracas augenscheinlich nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden.

Weiter heißt es, die brasilianische Regierung habe neben gepanzerten Fahrzeugen auch mehr Soldaten in die nördliche Grenzregion Roraima, die sowohl an Venezuela als auch an Guyana grenzt, entsendet.

Die jetzt in Brasilien eingeleiteten Maßnahmen sollen einer Sicherung der jeweiligen Grenzverläufe samt Ausweitung der dortigen Überwachungsaktiväten dienen.

Brasilien wird Hauptverkehrsverbindung nicht zu militärischen Zwecken freigeben

Gisela Padovan, eine hochrangige brasilianische Diplomatin, hat bekannt gegeben, dass die über brasilianisches Staatsgebiet verlaufende Hauptverkehrsverbindung zwischen Venezuela und Guyana nicht für militärische Zwecke genutzt werden dürfe.

Brasilien werde es keinem der beiden Nachbarn erlauben, die über eigenes Staatsgebiet verlaufenden Verkehrstrassen für militärische Zwecke zu missbrauchen. Vielmehr rief Gisela Padovan dazu auf, Ruhe zu bewahren und eine friedliche Lösung des sich in der Region abzeichnenden Konfliktes herbei zu führen.

Obwohl in Brasilia momentan nicht mit dem Ausbruch eines militärischen Konfliktes im Norden des südamerikanischen Kontinents gerechnet wird, erklärte Gisela Padovan, dass die aktuelle Situation dennoch Anlass zu Bedenken in ihrem Land gebe.

Liegt die nach dem Zweiten Weltkrieg begründete Ordnung in Scherben?

Mehr und mehr scheint die nach dem Zweiten Weltkrieg begründete internationale Ordnung einem Knacks anheimgefallen zu sein. So werden Grenzverläufe plötzlich wieder mittels des Einsatzes von militärischer Gewalt verschoben.

Die sozialistische Regierung in Caracas mag sich zurzeit die Frage stellen, warum das eigene Land nicht im Jahr 1899 beschlossene Grenzverläufe zu den eigenen Gunsten revidieren darf, wenn nach dem Zweiten Weltkrieg wie auch dem Zusammenbruch der Sowjetunion „in Stein gemeißelte“ Grenzen plötzlich auch in anderen Weltregionen wieder in Frage gestellt werden.

In Guyana ist man nach Abhaltung des venezolanischen Referendums keinesfalls gewillt, auch nur einen Zentimeter an eigenem Boden abzutreten. Immerhin stehen mehr als zwei Drittel des eigenen Territoriums auf dem Spiel.

Vielmehr haben die im letzten Jahrzehnt gemachten Erdölentdeckungen vor der eigenen Küste eine Perspektive auf Entwicklung und Fortschritt verheißen. Inzwischen hat der Internationale Gerichtshof der Regierung in Caracas verboten, den Status quo in der Region einseitig zu verändern.

Kein Vertrauen in die Verlautbarungen aus Caraca

Nicolás Maduro hat gegenüber den Karibischen Staaten das Versprechen abgegeben, dass sein Militär nicht in Esequibo einfallen wird. Doch in Guyana werden diese Zusicherungen offensichtlich nicht geglaubt.

Vielmehr gaben sich Spitzenvertreter der guyanischen Staatsführung am Rande der in Dubai stattfindenden Cop28-Konferenz davon überzeugt, auf jede Eventualität vorbreitet sein zu müssen. Schließlich sei die staatliche Führung in Caracas vollkommen unberechenbar.

Aus diesem Grund sei es auch bereits zu einer Erörterung von Abwehrmaßnahmen im Kreise der mit Guyana alliierten Kräfte gekommen. In diesen Gesprächen gehe es laut eigener Aussage darum, die jeweilige Verteidigungsbereitschaft besser aufeinander abzustimmen.

Was das abgehaltene Referendum in Venezuela anbelangt, so sind in diesem Zuge angeblich 10,5 Millionen Stimmen zugunsten einer Annexion von Esequibo durch die eigenen Bürger abgegeben worden.

Guyanas Vizepräsident Jagdeo sprach hingegen von einer gefälschten Abstimmung, worauf allein schon die Beteiligungsquote hindeute. Vielerorts seien die Abstimmungsorte auch nicht ausreichend, mancherorts sogar überhaupt nicht, kontrolliert gewesen.

Die Regierung von Nicolás Maduro pocht auf die eigene Ansicht, wonach mehr als die Hälfte aller Venezolaner im Wahlalter an dem Referendum teilgenommen haben. Doch nur die wenigsten glauben dies oder setzen Vertrauen in diese Bekanntmachungen.

In dem Referendum wurden die Venezolaner unter anderem auch danach befragt, ob sie die Ausstellung und Vergabe von venezolanischen Pässen an die Bürger in der dann auf den Namen Guyana Esequibo State lautende, neue Provinz gutheißen würden.

Auffälligerweise war es vor der Abhaltung des Referendums nur zu Kampagnen, die einen Anschluss Esequibos an Venezuela befürworteten, gekommen. Gegenkampagnen gab es keine.

Ferner berichteten Beobachter vor Ort, dass die tatsächliche Beteiligung an dem Referendum bei Weitem nicht so groß gewesen sei wie durch die Regierung verlautbart. Vielmehr habe man am Referendumstag den Eindruck eines ganz gewöhnlichen Sonntags in der Hauptstadt Caracas gehabt.

Vor den Wahlurnen sei es auch nicht zu einer Bildung von Menschenschlangen gekommen. Durch Guyanas Regierung und deren Verbündete gesammelte Geheimdienstinformationen gehen von einer Beteiligung an dem im Venezuela abgehaltenen Referendum von weniger als 1,5 Millionen Staatsbürgern – und somit weniger als einem Zehntel der Gesamtbevölkerung – aus.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite theguardian.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Viel braucht aus meiner Sicht zu den Entwicklungen in Venezuela nicht ergänzt zu werden. Ich hatte die sich entwickelnde Lage für Sie von Anbeginn der Hyperinflation beobachtet, um in diesem Zuge auch darauf aufmerksam zu machen, dass das Regime in Caracas durch einen Krieg von den wirtschaftlichen Auswirkungen ablenken könnte.

Nachdem Nicolás Maduro aus den innenpolitischen Konflikten mit seinem ehedem durch die Vereinigten Staaten und den Westen unterstützten Kontrahenten Juan Guaidó als Sieger hervorging, wecken die reichen Ölvorkommen vor der guyanischen Küste aus Perspektive von Caracas nun Begehrlichkeiten.

Wie vielen anderen Weltregionen könnten ähnliche Ereignisse ins Haus stehen, zumal es den Eindruck erweckt, als wäre der selbst ernannte Weltpolizist USA sowohl mit seinen innen- wie auch außenpolitischen Problemen schon jetzt heillos überfordert.

Hinweis der Redaktion: Berichte über Venezuela können Sie leicht über die Suchfunktion erreichen.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"