Nein, es hat sich nicht ausgezahlt, dass sie über Jahre hinweg -allzu willfährig- den geopolitischen Vorgaben, Vorstellungen und Wünschen der Amerikaner folgte. Von Washington fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, trifft sie nun auf Wladimir Putin und benötigt dringend einen Erfolg, um die außenpolitische Sackgasse zu umgehen, in der sich EU-Europa befindet.

Das russische Erdgas wird immer wichtiger

Auch im Bereich der Energiepolitik, für unseren rohstoffarmen Kontinent eine nahezu existenzielle Frage, sieht es düster aus. Betrachtet man den deutschen Energiemix, so wird deutlich, dass russisches Erdgas eine immer wichtigere Rolle spielt, wenn nicht die Rolle überhaupt. Bei stolzen 23.8 % unseres Energieverbrauchs lag im vergangenen Jahr der Anteil des russischen Erdgases. Laut Experten gilt Erdgas als sogenannte Brückenressource bezüglich eines Umbaus auf erneuerbare Energien.

Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass Erdgas zukünftig auch eine gewichtigere Rolle spielen wird, bei unserer Energiegewinnung, denn wie sonst sollte man den Atomausstieg bewältigen und gleichzeitig den Kohleverbrauch begrenzen?

USA drohen mit Sanktionen

Mit dieser Frage wurde die Kanzlerin in den letzten Wochen häufig konfrontiert, denn in der deutschen Wirtschaft und den bundesrepublikanischen Unternehmen herrscht Panik, angesichts der drohenden Sanktionen, die Donald Trump verkündete und jede Firma existenziell bedrohen, die mit Russland, in Russland, oder gar mit Russen Geschäfte betreiben.

Diese Erpressungspolitik Washingtons, gegenüber unseren ökonomischen Interessen, gegenüber Iran wird es ja auch so praktiziert, hat inzwischen bei der Industrie Deutschlands und der EU zu dramatischen finanziellen Verlusten geführt, deren Ausmaß sich erst jetzt abzuzeichnen beginnt.

Der Kanzlerin, die bisher nach dem Motto “Von den USA lernen heißt siegen lernen“ agierte, schwimmen sprichwörtlich die Felle davon, nicht nur der russische Zobel.

Nord Stream 2: mehr Chance als Risiko

Die heftig umstrittene Pipeline Nord Stream 2 wird den Schwerpunkt der Konsultationen zwischen Merkel und Putin bilden. Bei den russischen Erdgasreserven handelt es sich um die größten der Welt, die quasi auch noch vor unserer Haustüre liegen. Es entspräche also der geopolitischen Vernunft und der geographischen Notwendigkeit, würden wir diese Rohstoffquelle nutzen.

Daran hat man aber in Washington kein Interesse, basierend auf den Thesen, die Zbigniew Brzeziński einst in seinem Thesenpapier: “Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft (The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives) konzipierte und welche anscheinend bis heute in Washington befolgt werden.

Washington ist alarmiert

Demzufolge sieht man in den USA mit Sorge, dass es zwischen Europa und Asien zu einer engen Verflechtung kommt, sozial, kulturell, politisch und ökonomisch, zu Eurasien, ohne das die „einzige Weltmacht“ involviert wäre. Vor allem würde dieses aber einen Rückgang der Nachfrage nach US-Erdgas aus der Fracking-Produktion bedeuten.

Deshalb hatten die USA schon im Sommer 2017 Sanktionen verhängt, die besonders die Beteiligung an Nord Stream 2 abstrafen.

Ein neues Kapitel in den deutsch-russischen Beziehungen

Merkels Vorgehen in Sotschi, während ihrer Verhandlungen mit Putin, gleicht einem Mikado-Spiel, in dem sie den Stab sicher greifen und führen muss, ohne die anderen Stäbe zu berühren. Die Tatsache, dass auch in Polen und im Baltikum Ängste und Vorbehalte bestehen, was den Stand der deutsch-russischen Beziehungen angeht, verdeutlicht, dass diese Verhandlungen nicht mit zittrigen Händen geführt werden dürfen.

Eine Politik der ruhigen Hand, so ähnlich hatte ja Gerhard Schröder einst seine Politik bezeichnet, ist hierbei von Nöten. Die Kanzlerin kann sich diesbezüglich glücklich schätzen, dass ihr Verhandlungspartner, der Präsident Russlands, über eine solche Hand verfügt. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass heute in Sotschi ein neues Kapitel der deutsch-russischen Beziehungen eröffnet wird. Es wäre für beide Seiten und darüber hinaus ein Erfolg.

Denn, wenn schon immer unsere Vergangenheit zitiert wird, meistens in völlig unpassenden Zusammenhängen, was angeblich heute unser Verhältnis zu anderen Staaten angeht, gerade dann muss es unser Ziel sein, dass zwischen Berlin und Moskau gute Beziehungen bestehen.

Hinweis d. Red.:

Gestern erschien auf n-tv ein Artikel diesem Thema mit dem Titel: „Warum die USA Nord Stream 2 nicht wollen“. Hier war im letzten Absatz folgendes zu lesen:

„Nach Angaben eines EU-Offiziellen von Mittwoch scheinen die EU-Regierungen nun bereit, mit den USA über Flüssiggas zu reden, wenn die Regierung in Washington auf Schutzzölle bei Stahl und Aluminium verzichtet.“

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