Seit einer gleichnamigen Veröffentlichung des Anthropologen David Graeber werden als „Bullshit Jobs“ solche bezahlte Tätigkeiten bezeichnet, die erkennbar unnötig oder gar schädlich für die Gemeinschaft sind – aus ihnen lässt sich für entsprechend Beschäftigte auch keine Zufriedenheit generieren. Laut einer Statista Umfrage aus dem Jahr 2018 gaben immerhin 12 % der Befragten Franzosen an, dass sie ihren Job in diese Kategorie einordnen würden.

Obschon der Begriff erst seit wenigen Jahren an Beliebtheit gewinnt und das Phänomen selbst mitunter als Folgeerscheinung einer viel zu lange verschleppten Einführung der 15-Stunden Woche gehandelt wird, hat sich bereits Aristoteles mit ganz ähnlichen Zusammenhängen auseinandergesetzt, wie auch einem Artikel von Alessandro Colarossi zum Thema ausführlicher zu entnehmen ist. Als sinnhaft empfunden wird die eigene Arbeit laut Aristoteles, vereinfacht dargestellt, wenn Arbeit nicht nur als ein Mittel zum Zweck des Lebenserhaltes, sondern letztlich erkennbar auch dem Erhalt und zur Besserung der Gemeinschaft dient.

Auch die, wie sich zeigen sollte, nicht im besten Sinne äußerst schwerwiegenden wirtschaftstheoretischen Überlegungen von Karl Marx bewegen sich im Ansatz um das Verhältnis des Menschen zu seinem Broterwerb: es sei der Kapitalismus, der die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit und seinen Mitmenschen zur Folge habe. Für Marx ein Grund, am Gesellschaftssystem anzusetzen und dieses an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen. Ein davon abgeleitetes Ideal: sich in Eigenregie und doch in Kooperation mit den Mitmenschen kreativ selbst zu verwirklichen, wodurch die Arbeit wieder als Selbstzweck begriffen werden kann.

Im Gegensatz dazu richtet sich Schopenhauers Blick nach innen, in die Psyche des Menschen, wenn er die Ursache des Leidens unter dem sysiphus-gleichen Alltagsstreben darauf zurückführt, dass der Mensch keinem letzten Zweck dient und sich im Zuge seines Willens zum Leben täglich neue Ziele setzt. Diese zu erreichen kann ihn nur kurzfristig befriedigen, woraufhin die entstehende Leere neue Ziele in den Fokus zieht.

Ganz ähnlich setzen auch verschiedene östliche Überlegungen, die sich unter der Philosophie der Arbeit zusammenfassen lassen, am Individuum an und streben nicht danach, das System zu ändern. Im Hinduismus findet sich das Prinzip des „Karma Yoga“ – wenn man es so verstehen möchte, ein Rezept zur Zufriedenheit dadurch, dass man sich von den Ergebnissen der eigenen Arbeit gänzlich loslöst und die Tätigkeit an sich ins Zentrum stellt. Ihr wird ein Wert für sich zugesprochen, solange sie mit ganzem Herzen und Konzentration ausgeführt wird und anderen keinen Schaden zufügt.

Je nachdem, welchen beruflichen Hintergrund man selbst hat, mögen sich auch jeweils bestimmte Perspektiven auf die eigene Arbeit eher anbieten, als andere. Insbesondere im Falle monotoner Arbeiten wird der Anspruch auf Selbstverwirklichung ad absurdum geführt – und doch sind allerhand Notwendigkeiten des Lebens in aller Regel repetitiv und lassen nur geringen Spielraum für Variationen. Besonders inspirierend ist vor diesem Hintergrund der berühmte Zen Kōan:

"Vor der Erleuchtung Holz hacken und Wasser holen. Nach der Erleuchtung Holz hacken und Wasser holen".

Zur Erläuterung dieses Kōans hat Kyle Kowalski eine erkenntnisreiche Abhandlung geschrieben. Darin erklärt er, wie man laut Zen-Buddhismus aus der Sklaverei repetitiver Tätigkeiten ausbrechen kann, indem man sich zu der Erkenntnis durchringt, dass es kein separates Individuum gibt, das sie ausführt. Ein abenteuerliches Konzept für westliche Ohren; und doch eine erprobte meditative Übung eines faszinierenden Perspektivenwechsels auf sich selbst, der zu verhindern vermag, dass man sich in seiner ganz persönlichen Hölle von dem Holz gehackt und dem Wasser getragen fühlt.

 

In diesem Sinne empfehlen wir die Lektüre folgender Artikel:

"The Philosophy of Work" von Alessandro Calarossi: https://philosophynow.org/issues/160/The_Philosophy_of_Work
Hier finden Sie eine brauchbare Google-Übersetzung ins Deutsche: https://philosophynow-org.translate.goog/issues/160/The_Philosophy_of_Work?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

"On Enlightenment: 3 Meanings of the 'Chop Wood, Carry Water' Zen Quote" von Kyle Kowalski: https://www.sloww.co/enlightenment-chop-wood-carry-water/
Hier finden Sie eine brauchbare Google-Übersetzung ins Deutsche: https://www-sloww-co.translate.goog/enlightenment-chop-wood-carry-water/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

Wie immer verlinken wir, wenn möglich, auch einen ausführlich belegten englischen Übersichtsartikel der Stanford Encyclopedia of Philosophy zur Philosophie der Arbeit:
https://plato.stanford.edu/entries/work-labor/
Hier finden Sie eine brauchbare Google-Übersetzung ins Deutsche: https://plato-stanford-edu.translate.goog/entries/work-labor/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

Eine hervorragende Übersetzung können Sie sich grundsätzlich selbst mittels Deepl erstellen: https://www.deepl.com

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