Mancher hat zwar mittlerweile etwas von steigenden Preisen mitbekommen, das Ausmaß und die Breite des Anstiegs sind jedoch nur wenigen klar. Das mag an den bisher vergleichsweise mäßig angestiegenen Preisen für Öl und Benzin liegen. Ein kleiner Vergleich für diejenigen, die beim Lesen des letzten Satzes aufgrund der morgendlichen Erfahrungen an der Zapfsäule zusammengezuckt sind: Stiegen die Preise für Öl und andere Treibstoffe auch nur halb so stark wie der europäische Gaspreis, dann würde für einen Liter Benzin weit mehr als vier Euro aufgerufen.

Besitzern von Elektroautos, die darüber schmunzeln, sei ein Blick auf den in der Spitze um mehr als 400 % gestiegenen Preis für Strom (Grundlast) empfohlen. Auch die Grundstoffe zur Fertigung von Akkus befinden sich im Aufwärtstrend. Manche Ersatzbeschaffung wird daher deutlich teurer werden, als dies die Modellrechnungen vor der initialen Anschaffung suggerierten.

Der Rohstoffpreisanstieg ist weit davon entfernt, ein bedeutsames Ausmaß erreicht zu haben. In vielen Bereichen dürften die Trends erst begonnen haben. Die folgende Grafik zeigt den Beginn der sektorübergreifenden Aufwärtsbewegung vor rund einem Jahr.

 

 

Der breite Markt ist gerade dabei, das abzuschließen, was in der technischen Analyse eine Bodenbildung genannt wird. Die Mischung aus ESG-Regulierung, die Investitionen im Energie- und Rohstoffsektor deutlich verteuert oder verhindert, und einer desolaten Geldpolitik, die unsere Währung langsam aber sicher zersetzt, wird diese Bodenbildung wohl zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.

Ein Blick auf die Skala der nächsten Grafik zeigt, was an Preissteigerungen möglich ist, wenn lediglich der alte Hochpunkt der Rohstoffmärkte des Jahres 2008 wieder erreicht würde. Abgebildet ist der Verlauf eines ETFs auf den GSCI-Rohstoffindex.

 

 

Während Versorgungsengpässe die aktuelle Preisbildung beeinflussen, ist das langfristig größere Problem ein Wissensengpass auf der politischen Entscheidungsebene. Das im Bundestag versammelte mangelnde Wissen über Natur- und Ingenieurwissenschaften ist schon sprichwörtlich. Mittlerweile sind zudem auch die Kenntnisse der Funktionsweise einer Ökonomie kaum mehr wahrnehmbar. Die Prinzipien einer Ökonomie gelten übrigens unabhängig vom Wirtschaftssystem, wie jeder, der ein sozialistisches System von innen heraus erleben durfte, gut erinnern kann.

Mangelndes Wissen hindert jedoch so manchen Thesenschmied nicht daran, Ratschläge zu unterbreiten, die in einigen Fällen sogar gut gemeint sein können. Am Energiemarkt könnten sich die Unternehmen doch absichern, ist oft zu hören. Diese lapidare Aussage offenbart zum einen das bekannte Unverständnis der Funktionsweise von Terminmärkten im Allgemeinen und Energiemärkten im Speziellen.

Andererseits zeigt sich in diesem Ratschlag auch die Vergesslichkeit der Theoretiker, denn um eine Absicherung vorzunehmen, benötigen sie am Terminmarkt – wie an jedem anderen Markt – eine Gegenpartei. Wenn ein Unternehmen Gas auf Termin kaufen will, um sich gegen künftige Preissteigerungen abzusichern, dann muss ein anderer dieses Gas auf Termin verkaufen und das Risiko weiterer Preisanstiege tragen. In gewisser Weise verhält sich Risiko wie Energie. Es verschwindet nicht, lediglich die Form und Verteilung ändert sich.

Der Käufer des Gaskontrakts nimmt eine Long-Position ein, der Verkäufer eine Short-Position. Er gehört zur Spezies der Short-Seller (Leerverkäufer). Bei enormen Preissteigerungen und politischen Unwägbarkeiten überlegt sich jeder Marktteilnehmer noch genauer als ohnehin, in welchem Markt und zu welchem Preis er das Risiko einer Short-Position eingeht. Wie bei einer Risiko-Lebensversicherung sind die Tarife nicht für jeden gleich, und das hat gute Gründe.

Die Short-Seller werden bei fallenden Preisen stets mit Schmutz beworfen, weil sie angeblich die Preise drücken. Sie werden sich erinnern. Ohne Leerverkäufer geht am Terminmarkt allerdings nichts, denn jede Position hat stets eine Long- und eine Short-Seite. Über diesen simplen Sachverhalt darf man sich auch als Abgeordneter informieren, bevor man sinnlose Forderungen stellt und andere diffamiert, um von den eigenen Fehlleistungen abzulenken. Die Zeit zwischen zwei Talkshow-Auftritten sollte für die Aufnahme dieser einfachen Informationen vollauf genügen.

Der Unterschied zwischen der Vorstellung einiger Unbedarfter vom weltweiten Terminmarkt und dessen wirklicher Funktionsweise erinnert an die romantischen Fantasien von der Landwirtschaft, die mancher Hipster pflegt. Die Lücke zwischen Vorstellung und Realität des Terminmarktes klafft in etwa so weit auseinander wie im Agrarsektor.

Stellvertretend für diese Wissenslücke steht mancher „Urban Gardener“, der 70 Fotos seiner zwei den Balkon bewohnenden Salatköpfe auf Instagram einstellt - und deshalb meint, ausreichende Kenntnisse zu besitzen, um wertvolle Beiträge zur Debatte über professionelle Landwirtschaft liefern zu können. Nichts gegen Salat auf dem Balkon, aber nur, weil man sich selbst ein Pflaster auf den Daumen kleben kann, hat man zur Ausführung einer Herzklappen-OP noch lange nicht viel beizutragen.

Landwirte haben für derlei Schöngeistigkeiten vermutlich ohnehin keine Zeit. Sie müssen sich nicht nur mit dem Druck durch hohe Energiepreise und einer teils debile Bürokratie herumschlagen, sondern sich auch mit den Preisen und der Verfügbarkeit von Dünger auseinandersetzen.

Die Endverbraucher werden in den kommenden Monaten die entsprechenden Preissteigerungen auch bei Lebensmitteln und anderen Gewächsen zu spüren bekommen. Vom Getreide über den Kaffee, vom Schnitzel bis zur Baumwollhose, vieles wird deutlich teurer werden. Wir möchten an dieser Stelle noch einmal das Wort deutlich wiederholen, denn schon bald wird es heißen, diese Entwicklung habe mal wieder - wie manch andere Nebenwirkung der Geldpolitik - niemand ahnen können.

Verstärkt wird der Effekt durch den sinkenden Außenwert des Euro. Mehr Geld drucken bietet sich für dieses Problem nicht als Lösung an. Den einfachen und regierungsfreundlichen Umgang mit diesem Thema konnten Anti-Inflationshetzer und Nutzen-der-Inflation-Leugner kürzlich einer ehemals bekannteren Tageszeitung entnehmen. Da diese fast niemand mehr liest, hier der relevante Ausschnitt.

 

 

Wohlan, dann muss sich doch niemand Sorgen machen. Die Gehälter der verantwortlichen Redakteure dürften demnach ebenso wie die Werbeeinnahmen auf dem aktuellen Niveau eingefroren werden. Nur dann kann die gutherzige Inflation durchschlagend wirken. Alles zu Ihrem Besten.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Langsam aber sicher macht sich die Wirkung der Inflation bemerkbar. Der Schmerz scheint zumindest bei einigen auch das Interesse an der Suche nach deren Ursachen wieder geweckt zu haben. Wenn da mal nicht mancher Bürger ins Grübeln kommt und sich eine Demonstration aus der Nähe anschaut. Möglicherweise sind die ja besser als ihr Ruf.

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